Gottes erste Diener
können diese Beleidigung nicht ungestraft
lassen.« Dieses Dokument, oft die Grundlage der englischen Freiheitsrechte
genannt, winde vom Papst förmlich als »gegen das moralische Gesetz« verdammt.
Der König, erklärte er, sei keineswegs Baronen und Volk untertan. Er sei nur
Gott und dem Papst untertan. Folglich mußten die Barone, die einem päpstlichen
Vasallen unrechtmäßig Konzessionen abgepreßt hatten, bestraft werden. In einer
Bulle annullierte Innozenz die Charta »aus der Fülle seiner unbegrenzten Macht
und Autorität, die Gott ihm anvertraut hat, Königreiche zu binden und zu lösen,
zu pflanzen und auszureißen«; den König sprach er von der Pflicht los, sie
einzuhalten. Er exkommunizierte »jeden, der weiterhin solch verräterische und böse
Ansprüche aufrechterhalten sollte«. Alle Engländer, müssen wir annehmen, sind
noch immer exkommuniziert. Stephen Langton, der Erzbischof von Canterbury,
weigerte sich, dies Urteil zu veröffentlichen. Die Herrschaft des Papstes,
sagte er, sei nicht unbegrenzt. »Naturrecht bindet Fürsten und Bischöfe
gleichermaßen: Vor ihm gibt es kein Entkommen. Es ist außerhalb der Reichweite
selbst des Papstes.« Langton wurde vom Amt suspendiert.
Für Innozenz, der Könige
besiegt hatte, waren Bischöfe eine Kleinigkeit. Er nannte sich »Weltbischof« —
diesen Titel hatten viele frühe Päpste abgelehnt. Mit Innozenz erreichte die
Kirche Gregors Ideal; sie wurde eine einzige Diözese. Innozenz verabschiedete
mehr Gesetze als fünfzig Päpste vor ihm; er selbst war gar keinem Gesetz
unterworfen. Sechstausend seiner Briefe sind bislang veröffentlicht. Ihre
Bandbreite ist außergewöhnlich. Er setzt Bischöfe und Äbte ab und ersetzt sie.
Er verhängt Strafen für eine Vielzahl von Vergehen. So war zum Beispiel ein
Mann namens Robert zusammen mit Frau und Tochter von den Sarazenen
gefangengenommen worden. Der Sarazenenanführer gab wegen einer Hungersnot den
Befehl, Gefangene mit Kindern sollten diese töten und essen. »Dieser böse
Mann«, schrieb Innozenz, »getrieben von den Qualen des Hungers, tötete und aß
seine Tochter. Und als beim zweitenmal ein solcher Befehl ausging, tötete er
seine Frau; doch als ihr Fleisch gekocht und ihm vorgelegt wurde, konnte er es
nicht über sich bringen, davon zu essen.« Ein Teil seiner Buße war, daß er nie wieder
Fleisch essen sollte. Auch durfte er nicht wieder heiraten.
Innozenz vervollständigte seine
Herrschaft über die Kirche beim Vierten Lateranischen Konzil 1215. Eine
Massenversammlung von fünfzehnhundert Prälaten lauschte höflich seinen Dekreten
und verabschiedete sie, ohne daß sie hinterfragt oder mit einem Wort debattiert
worden wären. Ein Gesetz, das sie verabschiedeten, lautete, daß jeder Katholik
seine Sünden bei seinem örtlichen Priester beichten und einmal pro Jahr
kommunizieren mußte. Auf diese Weise wurden die Laien zu Untertanen des Klerus,
der Klerus zu Untertanen der Bischöfe und die Bischöfe zu Untertanen des
Papstes gemacht.
Die einzigen Andersdenkenden
waren die Ketzer. Der zweite Teil dieses Buches wird sich mit der glorreichen
Krönung von Innozenz’ Regierung befassen — der Zerschmetterung der Albigenser
in Südfrankreich. Hunderttausende von ihnen wurden auf seinen Befehl mit Feuer
und Schwert umgebracht. Als alleiniger Besitzer der Wahrheit fühlte Innozenz
sich berechtigt, Häresien mit jedem ihm zu Gebote stehenden Mittel
auszuradieren. Er war es, der der Inquisition zu einem neuen Aufschwung verhalf
und dem Katholizismus eine besondere Art Intoleranz gab, die sich
jahrhundertelang halten sollte.
Innozenz III., ein genialer
Staatsmann und Papst »von erschreckender Willenskraft«, beherrschte die Welt
fast zwanzig Jahre lang in gelassener Majestät. Einen Großteil dieser Zeit über
verbreitete er Furcht und Schrecken in der Christenheit. Er krönte und stürzte
Monarchen, bannte ganze Länder, schuf praktisch den Kirchenstaat in
Mittelitalien vom Mittelmeer bis zur Adria. Er hatte nicht eine einzige
Schlacht verloren.
In der Verfolgung seiner Ziele
vergoß er mehr Blut als jeder andere Papst. Er verstand das Evangelium, die
Kirche, das Papsttum und sogar den Unterschied zwischen Gut und Böse zutiefst
falsch. Seine staunenerregende Perversion all dieser Dinge zeigt sich in einer
einzigen, atemberaubenden Aussage: »Jeder Kleriker muß dem Papst gehorchen,
selbst wenn er Böses befiehlt; denn niemand kann über den Papst urteilen.«
Er war in Perugia, als
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