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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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im
heißen Juli 1216 das Ende kam. Die Nachricht erreichte ihn, daß die Franzosen
es erneut gewagt hatten, sein England anzugreifen. Als wolle er seinen Abgang
in Blut tauchen, sprach er ein letztesmal zu Louis und Philippe Auguste:
»Schwert, Schwert, spring aus deiner Scheide. Schwert, Schwert, schärfe dich
und dann lösche aus.« Im Sterben muß er mit zitternden Lidern über die große
Decke der umbrischen Ebene zu dem verschlafenen Städtchen Assisi geblickt
haben, das sich an den Hang eines Berges schmiegt. Vielleicht regte sich eine
ferne Erinnerung in ihm. Da war eines Tages jener Bettler mit den strahlenden
Augen zu ihm gekommen und hatte um Anerkennung einer Bruderschaft gebeten, die
er gründen wollte. Hatte er sie gewährt oder nicht? Im großen Rahmen der
Ereignisse konnte das nicht wichtig sein.
    Der Bettler, den er aus dem
Lateranpalast geworfen hatte, der niemanden bedrohte, der lieber gestorben
wäre, als jemandem die Tröstungen der Religion zu nehmen, sollte bald an seinem
Leib die Wunden des gekreuzigten Christus erfahren. Von ihm sagt Dante in
seinem Paradiso : »Nacque al mondo un Sole« — »Der Welt wurde eine Sonne
geboren«.
    Innozenz III., der wahre
»Augustus des Papsttums«, ist heute nur Historikern bekannt. Es gibt niemanden,
der nicht mit Freude und Zuneigung von Franz von Assisi gehört hat.
     
    Innozenz’ Nachfolger
wiederholten seine absolutistischen Ansprüche und erweiterten sie sogar. Gregor
IX. (1227-41), der den Kleinen Armen aus Assisi kanonisierte, erklärte
feierlich, der Papst sei Herr und Meister über das Universum, sowohl Dinge als
auch Menschen. Innozenz IV. (1243—54) beschloß, der Name der Konstantinischen
Schenkung sei unzutreffend. Konstantin habe den Päpsten nicht weltliche Macht
geschenkt; sie hatten schon von Christus höchste weltliche Macht.
    Nun fehlte nur noch der Papst,
den Dante das Schwarze Tier nennt, Bonifaz VIII., um den päpstlichen
Absolutismus zu besiegeln.

5. Kapitel

Schwindende Macht
     
     
     
     
     
     
     
    Benedikt Gaetani wurde 1294 als
Papst Bonifaz VIII. gekrönt. Jacopone da Todi, der
Dichter der berühmten Sequenz Stabat mater, bemerkte, kein Name passe
weniger zu ihm. Er hatte kein »gutes Gesicht«.
    Der große, dicke Sechzigjährige
hatte das kälteste Auge, das je an einem Menschen gesehen wurde. Der
Kurienkardinal Llanduff sagte treffend über ihn: »Er ist ganz Zunge und Augen,
und der Rest von ihm ist ganz verkommen.« Einmal verweigerte er einem
Metropoliten die Bestätigung seiner Ernennung, einfach weil ihm sein Gesicht
nicht paßte, und sagte ihm das auch. Selbst ein Kardinal mit einem Gebrechen,
etwa einem arthritischen Bein oder einem Buckel, hatte mit gnadenlosem Spott zu
rechnen. Er las mit Hingabe und Tränen die Messe, als stünde er auf dem
Kalvarienberg und könne Jesus am Kreuz sehen. Sobald die Messe vorbei war, war
es wahrscheinlich, daß er die Asche der Buße jedem Erzbischof ins Gesicht warf,
der ihm mißfiel. Nach F. M. Powicke wurde er »von vielen bewundert, von allen
gefürchtet, von niemandem geliebt«.
    Bonifaz war kahlköpfig; seine
Ohren standen ab von einem ovalen Gesicht, in dem die Arroganz eines Mannes
brannte, der wußte, daß er auf Erden nicht seinesgleichen hatte. »Die Brust des
römischen Oberhirten«, bestimmte er, »ist Sitz und Quelle aller Gesetze.
Deshalb ist blinde Unterwerfung unter seine Autorität unerläßlich für das
Seelenheil.« Im Heiligen Jahr 1300 saß er auf seinem Thron, Konstantins Krone
auf dem Kopf, ein Schwert in der Hand, und sang unermüdlich: »Ich bin
Oberhirte, ich bin Kaiser.« Seine Gewänder waren vom Kostbarsten, aus England
und dem Morgenland, und er strotzte vor Pelzen und Edelsteinen. Wenn er sprach,
spuckte er die Worte durch die Lücke in seinem Oberkiefer, wo zwei Zähne
fehlten. Sein Vorgänger, Coelestin V., hatte von ihm gesagt: »Du bist auf den
Thron gesprungen wie ein Fuchs, du wirst herrschen wie ein Löwe, du wirst
sterben wie ein Hund.«
    Wenige Päpste bereicherten je
ihre Familie, wie Bonifaz dies tat. Ein spanischer Diplomat sagte: »Dieser
Papst will nur drei Dinge: ein langes Leben, ein reiches Leben, eine
wohlversorgte Familie um sich.« Er war als »mutiger Sünder«, magnanimus
peccator, bekannt und verlor keine Zeit, drei seiner Neffen zu Kardinälen
zu machen und mit riesigen Ländereien und Besitztümern auszustatten. Laut Dante
machte er aus dem Grab Petri eine Kloake.
    Sittenlos, wie er war, hatte er
einmal eine verheiratete

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