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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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durch die
Genueser nahm er die fünf aufständischen Kardinäle gefangen. Als nächstes wurde
er in Genua gesehen, möglicherweise im Alkoholrausch, wo er im Garten auf und
ab ging und aus dem Brevier rezitierte, so laut er konnte. In einer nahe
gelegenen Kammer wurden die Rebellen gefoltert. Ihre Schreie störten in keiner
Weise seinen Frieden mit Gott.
    Der alte Kardinal von Venedig
wurde zusammengeschnürt und mit einem Flaschenzug herauf und herunter gezogen.
Wenn sein Kopf gegen die Decke gepreßt wurde, konnte er durch das Fenstergitter
den Papst sehen, und jedesmal krächzte er in seiner Qual: »Heiliger Vater,
Christus ist für unsere Sünden gestorben.« Dann wurde er auf den Boden
herabgelassen. Keiner der Gefangenen wurde je wieder gesehen.
     
    Eine Anzahl französischer
Kardinäle machte sich einzeln davon, um sich in Anagni wieder zu versammeln.
Dort bereiteten sie eine Declaratio gegen Prignano vor. Er war nicht
Papst. Sie hatten ihn, behaupteten sie, nur aus Angst vor dem Pöbel gewählt.
Sie wählten einen anderen Oberhirten: Robert von Genf, einen Vetter des Königs
von Frankreich, der sich Clemens VII. nannte. Urbans Gegenschlag war die
Ernennung von sechsundzwanzig neuen Kardinälen, die ihm Loyalität schuldeten.
    Schon oft hatte es zwei Päpste
gegeben, doch die gegenwärtige Krise war einzigartig. Diese beiden Päpste waren
mehr oder minder von derselben Gruppe von Kardinälen gewählt worden. Wenn sie
also sagten, sie hätten Urban nicht gültig gewählt, sprachen sie mit Autorität,
selbst wenn sie logen.
    In England witzelte Wyclif:
»Ich wußte schon immer, daß der Papst einen Pferdefuß hat. Nun hat er zwei
Köpfe« (d. Ü.: unübersetzbares Wortspiel).
    Die Christenheit mußte wohl
oder übel Partei ergreifen. Wenn Urban unter Zwang gewählt war, war die Wahl
ungültig. Doch wenn sie soviel Angst hatten, warum hatten sie dann nicht einen
Römer gewählt — etwa den alten Tebaldeschi — und sich sofort nach Anagni
zurückgezogen, um offiziell Klage zu führen? Die Wahl eines gesunden
Neapolitaners und die dreimonatige Verspätung waren verdächtig. Wie Katharina
von Siena scharfsinnig bemerkte, hatten sie schon einen Scheinpapst in
Tebaldeschi; warum brauchten sie noch einen? Es sah in der Tat so aus, als
wollten die Franzosen jemanden kippen, mit dem sich nicht leben ließ.
    Das Chaos folgte. Ein Papst im
Exil war schlimm genug; nun wurde der Sitz der Einheit selbst zur Quelle der
Zwietracht. Nach dem Wahldekret von 1059 wurde ein unkanonisch gewählter
römischer Oberhirte »Zerstörer der Christenheit« genannt. Das erwies sich als
zutreffend. Wenn die Christen den echten Papst nicht identifizieren konnten,
wozu war das Papsttum dann gut? Der König von England war für Urban, der König
von Frankreich für Clemens. An den Universitäten war man sich nicht einig.
    Der lahme, blinzelnde Clemens
nahm, wie erwartet, sein französisches Gefolge mit nach Avignon, wo er sich so
übel aufführte, daß er von einem echten Avignon-Papst nicht zu unterscheiden
war. Daß er von dem Stoff war, aus dem die Päpste sind, hatte er schon 1377
bewiesen, als er als päpstlicher Legat in Cesena an der Adria fungiert hatte.
Die Einwohner hatten sich daran gestört, daß seine Söldner ihre Frauen
vergewaltigten, und einige der Schuldigen getötet. Nach Verhandlungen mit
Vertretern der Stadt überredete er sie, ihre Waffen niederzulegen. Dann
schickte er eine englisch-bretonisch gemischte Truppe, um alle achttausend
Einwohner niederzumetzeln, einschließlich der Kinder.
     
     
    Zwei Päpste, drei Päpste
     
    Im Oktober tat Urban, der
Papst,den niemand wollte, das einzig Gute in seinem
Leben: Er starb. Die vierzehn in Rom gebliebenen Kardinäle wählten zu seinem
Nachfolger Bonifaz IX., einen Mörder und den wohl größten Simonisten der
Geschichte. Er verkaufte jede Pfründe an den Meistbietenden, mit dem Ergebnis,
daß es in Deutschland und Frankreich von aufstrebenden italienischen Klerikern
wimmelte, oft ehemaligen Soldaten, die kein Wort der Landessprache kannten.
Bonifaz’ Brüder, seine Neffen, vor allem seine Mutter profitierten von seiner
Freigebigkeit. Niemand, hieß es, hat je mehr Geld an der Kanonisierung eines
Heiligen verdient. Er setzte nie seinen Namen unter ein Dokument, ohne sofort
seine Hand aufzuhalten und »einen Dukaten« zu verlangen. Das einzige, was er
gratis tat, war die Exkommunizierung Clemens’ von Avignon. Clemens erwiderte
das Kompliment. Und so ging es weiter. Wenn ein

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