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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Papst oder Gegenpapst starb,
wählten die jeweiligen Kardinalsgruppen einen Nachfolger, statt innezuhalten.
Was sind schon Kardinäle ohne ihren eigenen Papst?
    Mittlerweile hatte die
Christenheit es satt. Wer will schließlich ein Bistum oder eine Abtei von einem
Papst kaufen, der sich dann als unecht erweist? Was, wenn ein kostspieliger
Ablaß oder die Echtheitsurkunde von Reliquien wie Vorhaut oder Nabel des
Erlösers das Pergament nicht wert sind, auf dem sie stehen? Selbst im Himmel
herrschte Verwirrung. Brigitta von Schweden wurde dreimal kanonisiert; mit
diesem Rekord sollte sichergestellt werden, daß sie eine Heilige war.
    Das Schisma war auch schlecht
fürs Geschäft. Bankiers mit Herzen von Stein beteten inbrünstig um sein Ende.
Das ganze Leben des Reiches war in Unordnung. Wer um Himmels willen sollte den
nächsten Kaiser krönen?
    Von den Universitäten kam das
Argument, die Einheit der Kirche habe Vorrang vor dem Papsttum, und letztlich
sei Christus das Haupt der Kirche, nicht der römische Oberhirte, und deshalb
sei es besser, beiden Päpsten die Gefolgschaft zu kündigen. Historiker
forderten den Kaiser auf, sie abzusetzen, mit der soliden Begründung, daß viele
Kaiser dies schon getan hatten und daß sein Eingreifen überall begrüßt werden
würde. Doch seit dem Kindpapst im elften Jahrhundert war das Papsttum mächtiger
geworden als jeder Kaiser. Und nun war trotz aller Verwirrung einer der Päpste
echt. Was, wenn der Kaiser den falschen absetzte? Wäre das nicht, als entfernte
man die Bibel aus der Kirche und ersetzte sie durch den Koran? Ein Konzil würde
vor demselben Dilemma stehen. Wenn ein Konzil zusammentrat, um beide
Prätendenten abzusetzen, wäre eine der beiden Absetzungen ungültig, aber
welche? Ein weiteres Problem war, daß zeitgenössische Juristen meinten, nur der
Papst — und zwar der echte — könne ein Konzil einberufen.
    Der katastrophale Zustand der
Kirche bedeutete, daß trotz des kanonischen Nebels etwas unternommen werden
mußte.
     
    1409 wurde in der wunderbaren,
ummauerten Stadt Pisa, deren Turm wie die Kirche selbst schon schief stand, ein
Konzil einberufen.
    In dem Dom aus schwarzweißem
Marmor, unter Cimabues majestätischem Christusporträt, trafen sich die
bischöflichen Konzilsväter. Sie bestimmten feierlich, daß die konkurrierenden
Päpste, Gregor XII. von Rom und Benedikt XIII. von Avignon, beide Ketzer und
Schismatiker seien. Dies war ein cleverer Schachzug: Päpste, die in Häresie
fielen, setzten sich in gewissem Sinn selbst ab.
    Mitte Juni wählten sie als
Ersatz Kardinal Filargi von Mailand, einen frommen, zahnlosen, siebzigjährigen
Franziskaner unbekannter Herkunft, der ein Armutsgelübde abgelegt hatte. Er
hatte drei schwer zu verbergende Fehler. Obwohl klein und schmal, verbrachte er
die Hälfte seines Tages am Eßtisch; er unterhielt einen Palast mit
siebenhundert Dienstboten, alle weiblich und alle in seiner Livree; er verteilte
Pfründen mit so freier Hand, daß sogar die Kardinäle staunten.
    Filargi nahm den Namen
Alexander V. an. Zum Klang der Glocken ritt er in vollem päpstlichem Ornat, von
roten Pantoffeln bis zur Tiara, auf einem weißen Maultier durch die Straßen
Pisas.
    Die Prälaten jubelten
erleichtert. Nach dreißig verwirrenden Jahren war das Große Schisma beendet.
    Nur, daß Gregor und Benedikt
nicht einverstanden waren, so daß die erstaunte Welt eines Morgens mit der
Nachricht geweckt wurde: Gestern hatten wir nur zwei Päpste, heute haben wir
drei.
    Ein Schlaukopf schlug vor, die
dreifache Tiara zu teilen, weil die Kirche nun drei Häupter habe, um sie
daraufzusetzen. Eine neue Version des Glaubensbekenntnisses war beliebt: »Ich
glaube an drei heilige katholische Kirchen.« Die Gläubigen hatten Generationen
von Exilpäpsten hingenommen, Perioden von zwei bis drei Jahren, in denen es gar
keinen Papst gab, weil die Kardinäle sich nicht einigen konnten—doch das
gegenwärtige Szenario war das schlimmste von allen.
     
    Die einzige Gewißheit, die sich
aus Pisa ergeben sollte, war, daß der Mann, den sie gewählt hatten, nicht Papst
war. Nun folgte ein nie dagewesenes Schauspiel: drei unfehlbare Päpste, die
alle höchste Autorität über die Kirche beanspruchten, alle feierlich die beiden
anderen exkommunizierten und alle drohten, an jeweils anderen Orten ein Konzil
einzuberufen.
    Die dramatis personae in
diesem absurden Theater waren wie folgt:
     
    (1) Angelo Corrario, Gregor
XII., ein Venezianer, an die neunzig, mit vielen

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