Gottes erste Diener
Papst übereinstimmen.
Die Zukunft der amerikanischen Kirche sieht weiterhin stürmisch aus, und die
Auseinandersetzungen begannen erst richtig, als Johannes Paul Erzbischof
Hunthausen von Seattle disziplinierte. Dem Erzbischof wurde unter dem Siegel
der Verschwiegenheit durch Pio Laghi, den päpstlichen Pronuntius, gesagt, daß
ihm seine Autorität in fünf entscheidenden Gebieten genommen würde: Morallehre,
Laisierung von Priestern, Annullierung von Ehen, Liturgie und
Seminarausbildung. Ein Hilfsbischof wurde statt dessen mit allen Vollmachten
ausgestattet: der in Rom von Johannes Paul ordinierte Donald Wuerl. Doch
Hunthausen war kein päpstlicher Angestellter, sondern ebenso Nachfolger der
Apostel wie der Papst selbst. Daher mußte der Vatikan ihn mit diesen
unterschwelligen Taktiken niederhalten. Johannes Paul handelt, als sei er Bischof von Seattle und Hunthausen sein Stellvertreter. Sollte der
Stellvertreter ihm mißfallen, kann er ersetzt werden. Wenn und nur wenn der
Stellvertreter beweist, daß er sich gut führt, d.h. jedem vatikanischen Dekret
buchstabengetreu gehorcht, wird er vielleicht wieder eingesetzt. Es gibt wenig
Spielraum für örtliche Initiative.
Bei alledem scheint der Papst
nicht nur Bischof von Rom zu sein, sondern obendrein Bischof der Welt. Benedikt
XIV. hat genau das gesagt: »Der Papst ist der oberste Priester in der ganzen
Kirche, der jede Ortskirche aus der Rechtshoheit ihres Bischofs nehmen kann,
wann immer er will.« Dies hat eine innere Logik; Bischöfe legen einen Eid ab,
nicht der Kirche und Religion zu dienen, sondern »die Rechte, Ehren,
Privilegien und Autorität ihres Herrn, des Papstes, zu wahren, zu verteidigen,
zu mehren und zu fördern«.
Die meisten von Hunthausens
Amtsbrüdern waren auf seiner Seite, doch wie gewöhnlich fanden sie, sie hätten
keine andere Wahl, als sich hinter den Papst zu stellen, selbst wenn er einen
von ihnen ungerecht behandelte. Ordnung ist erste Katholikenpflicht.
Hunthausen wurde Ende Mai 1987
wieder eingesetzt, und Wuerl wurde auf einen anderen Posten versetzt. Dies,
nachdem eine amerikanische Bischofskommission auf Befehl des Vatikans für
Hunthausens Orthodoxie gebürgt hatte, obwohl »unabsichtlich«, wie ihr Bericht
lautete, »andere den Eindruck bekamen, als billige er ›ein Klima der
Freizügigkeit««. So wurde der Erzbischof einer großen Diözese von Rom
diszipliniert, weil katholische Mitläufer einen falschen Eindruck gewonnen
hatten. Künftig sind Bischöfe gewarnt; sie sollten nicht nur auf ihre
Orthodoxie achtgeben, sondern sogar auf den Eindruck, den sie bei übelwollenden
Leuten erwecken.
Ebenfalls 1986, Mitte März,
entzog Ratzinger, die rechte Hand des Papstes, P. Charles E. Curran die
Lehrbefugnis. Für Johannes Paul ist die Aufgabe eines Theologen einfach, von
oben Beschlossenes weiterzureichen. Curran ist offen in einem Beruf, wo
Offenheit das Überleben gefährden kann. Er glaubt, daß ein Theologe die heilige
Pflicht hat, hierarchische Beschlüsse im Licht von Gottes Wort zu »werten und
zu deuten«. Curran verlor 1987 sein Lehramt an der Catholic University of
Washington. Papst Johannes XXIII. hatte beim Beginn des Zweiten Vatikanischen
Konzils festgesetzt, daß die Tage der Verurteilungen vorbei seien. Und seit dem
Konzil war kein Theologe wegen einer ethischen Frage entlassen worden.
Ratzingers Behauptung, Curran sei »weder geeignet noch qualifiziert«, in einer
katholischen Institution zu lehren, war ein weiterer Warnschuß für Denker mit
unabhängigem Geist.
Ratzinger hat ebenfalls
festgehalten, daß loyale Katholiken nicht nur der definierten Lehre gehorchen
müssen, sondern zusätzlich der gesamten gewöhnlichen Lehre des Lehramtes, wie
Papst und Bischöfe sie ausdrücken. In der Praxis heißt dies, wie der Papst sie
ausdrückt. Der Fall des Erzbischofs Hunthausen beweist, daß Bischöfe keine
Unabhängigkeit haben. Auf gut deutsch: Bischöfe und Theologen können der
Wahrheit nur dienen, wenn sie dem Papst gehorchen. Es ist tragisch: Wie im
Kreml ist im Vatikan solidarische Kritik ein Selbstwiderspruch.
Eine weitere amerikanische
»Premiere« war der Fall des einundvierzigjährigen Paters Terence Sweeney, eines
Jesuiten aus Los Angeles. Mit der Unterstützung seines Oberen befragte er die
312 amerikanischen katholischen Bischöfe zu vier Themen im Zusammenhang mit dem
Zölibat der Priester und der Priesterweihe für Frauen. Von den 145, die antworteten,
waren fünfunddreißig dafür, daß Priester
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