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Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)

Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)

Titel: Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ted Kosmatka
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neben ihnen hin und her; seine riesigen Pfoten klatschten leise auf den festgetretenen Lehmboden. Der Käfig war vier Meter hoch und mehr als dreißig Meter lang.
    Beim Nähertreten sah Gavin, dass es kein Löwe war. Jedenfalls kein richtiger Löwe. Es war etwas Ähnliches wie ein Löwe, aber halt kein echter. Die Schulterhöhe dieses Tieres betrug mindestens einen Meter zwanzig. Das war eine Dampflok aus Fell, Knochen und Muskeln.
    Der alte Mann hatte sich von ihm abgewendet, aber Gavin bemerkte seine Haltung. Die steifen Schultern waren im Laufe der Jahre ein wenig herabgesunken. Der alte Mann hustete, ein tiefes, bellendes Geräusch, das nicht gerade für seine Gesundheit sprach.
    Erschreckt wurde Gavin klar, dass in diesem Jahrzehnt, seit er Martial das letzte Mal gesehen hatte, eine Bresche in diese Hülle scheinbarer Unsterblichkeit geschlagen worden war. Er war ein kranker Mann, der sich daran gewöhnt hatte, krank zu sein. Vielleicht starb die alte Eiche doch endlich. Vielleicht war dies aber gerade das Geheimnis alter Eichen. Ihr Sterben kann sich eine lange, eine sehr lange Zeit hinziehen.
    Der alte Mann drehte sich um. Seine Augen waren rot und entzündet. »Es ist ein Liger«, sagte er und deutete auf den Käfig. »Sie haben zweifellos von ihnen gehört.«
    »Selbstverständlich.«
    »Das Seltsame an Ligern ist, dass sie immer größer sind als ihre Eltern. Wenn man nach dem Warum fragt, dann hört man irgendein Gewäsch über Prägungen, unterschiedliche Wachstumskontrollen, die Vorherrschaft von Plus- über Minus-Allelen et cetera. Tatsache ist, dass wir eigentlich nicht wissen, warum sie größer werden. Die meisten schreiben es der Heterosis zu, der Kraft der Hybride. Aber das ist nur eine Beschreibung, keine Erklärung.«
    Gavin nickte.
    »Dies hier ist eine Kreuzung zwischen einem Löwen und einer Tigerin. Er ist drei Meter lang und wächst immer noch, soweit wir sehen können. Er schwimmt wie ein Tiger. Es gibt auch eine weniger interessante Kreuzung. Dabei ist der Vater ein Tiger und die Mutter eine Löwin. Das ergibt ein vollkommen anderes Tier, wussten Sie das?«
    »Nein.«
    »Der Tigon ist nicht wie der hier. Außerdem hat er dunkles Fell und eine kleinere Mähne. Zudem ist er weit weniger sozial und benimmt sich mehr wie ein Tiger, aber er macht etwas, das echte Tiger nicht tun. Wissen Sie, was das ist?«
    »Nein.«
    »Die Tigons brüllen.«
    Der alte Mann starrte durch die Gitterstäbe. Der Ausdruck auf seinem Gesicht hätte ein Lächeln sein können. »Wir beherbergen sehr viele Tiere hier in dieser Einrichtung.« Er machte eine ausladende Handbewegung. »Man hat mich einmal einen Sammler genannt, aber das stimmt nicht. Sammler wollen nur besitzen, aber hier wird gearbeitet. Es ist eine wichtige Arbeit, die hier geleistet wird. Wir vollbringen hier etwas wahrhaft Außergewöhnliches, verstehen Sie?«
    »Ja.«
    In dem Moment ertönte ein Schrei aus der Ferne, ein seltsames Geräusch, das Gavin nicht zuordnen konnte. Es kam von einer Stelle irgendwo hinter der nächsten Biegung des Pfades, zweifellos aus einer anderen Reihe von Käfigen, die weiter draußen auf dem Grundstück standen. Zuerst klang es so, als wäre es das Heulen eines verletzten Hundes oder vielleicht eines Affen. Aber der Schrei veränderte sich, wurde schriller und verwandelte sich dann in ein gequältes Kreischen.
    Gavin sah den alten Mann fragend an, aber der meinte nur: »Es gibt hier Orte, wo jegliche Mühe sinnlos ist. Orte, die ich nicht mehr aufsuche.«
    Jetzt erst bemerkte Gavin den Eimer. Er stand in dem niedergetrampelten Gras zu Füßen des alten Mannes. Ein weißer Zwanzig-Liter-Plastikeimer, an dem überall getrocknetes Blut und Fett klebten. Der alte Mann folgte Gavins Blick und bückte sich, griff in den Eimer. Er zog ein dickes Stück bluttriefendes rohes Fleisch heraus. Einen Moment hielt er das Fleisch in seinen knochigen Händen. Es hing in der Mitte durch, so wie diese Steaks, die neuerdings als Lockangebote in gewissen Restaurants serviert werden: fünf oder sechs Pfund schwer. Und wenn man sie innerhalb von einer Stunde aufaß, musste man seine Mahlzeit nicht bezahlen.
    Mit einem mühsamen Grunzen warf der alte Mann das Stück Fleisch durch die Gitterstäbe in den Käfig.
    Die gewaltige Raubkatze sprang vor und grub ihre Zähne in das Fleisch. Sie riss zweimal daran, so schnell, dass man ihre Bewegungen nicht verfolgen konnte, dann war das Fleisch verschwunden. »Vor etlichen Jahren«, fuhr der alte

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