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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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noch nicht alles. Wir haben es sogar für verschiedene Gehirne.“
„Ich bin vielleicht blöd“, sagte Jane, „aber ich verstehe nicht, was Sie damit meinen – für verschiedene Gehirne.“
„Wir können Affenhirne miteinander verbinden.“
„Und was kommt dabei heraus?“
„Das werden Sie gleich sehen.“
Ein paar Schritte noch, dann waren sie bei der Ruine angelangt. Es war, wie man jetzt sah, eine Attrappe. Ein wenig wie in Disneyland. Aber etwas anderes konnte man auch nicht erwarten. Zur Zeit des Mittelalters hatte noch niemand in dieser Gegend einen Stein auf den anderen geschichtet. Sie gingen durch einen gemauerten Torbogen hindurch und befanden sich nun vor dem Eingang eines modernen Gebäudes, einer Art Pavillon. Marconi zog einen Schlüssel heraus und öffnete die Tür. Aus der Ferne hörten sie Tierschreie. Affengebrüll. Es roch ein wenig scharf, eine Mischung aus Krankenhaus- und Stallgeruch.
„Kommen Sie“, sagte Marconi und eilte wieder voran. Nach etwa zwanzig Metern machte der Gang, von dem einige Arbeits- oder Büroraume abzugehen schienen, eine Linksbiegung. Eine Treppe war zu sehen, die nach unten führte. Offenbar war das Gebäude unterkellert. Wieder musste Marconi mit seinem Generalschlüssel eine Tür öffnen, eine Eisentür. Das Tiergeschrei wurde lauter, der Gestank beißender. Troller ging hinter Marconi und Jane als letzter durch die Tür und sah nun die Käfige. Gitterstäbe gab es nicht. Schimpansen, Bonobos, Rhesusaffen hinter Glas. Kein Orang-Utan. Kein Gorilla. Wozu auch. Wer immer mit Gehirnen experimentierte, sollte mit Schimpansen zufrieden sein. Bissig genug, intelligent, liebenswert und lange nicht so gefährlich wie die King-Kong-Sorten. Und die Bonobos, die Zwergschimpansen, waren noch friedlicher und liebenswerter. Troller erinnerte sich wieder an seinen Zoobesuch mit Sarah. Die Affen kümmerten sich auch hier nicht um die Welt hinter der Scheibe – mit Ausnahme der Schimpansen im letzten Glaskäfig. Fünf Schimpansen. Drei hockten auf dem Boden, zwei standen aufrecht. So aufrecht, wie Schimpansen eben stehen konnten. Alle drehten die Köpfe zu den Besuchern hin und machten einander wechselseitig darauf aufmerksam, dass Gäste kamen. Sie winkten oder grüßten sogar. Nicht sehr enthusiastisch, aber immerhin.
„Was haben Sie mit denen gemacht?“, fragte Troller. „Implantate“, sagte Marconi. „Erweiterung der Großhirnrinde. Sie bilden ein verstärktes Selbstbewusstsein aus, werden menschlicher. Selbstbewusstsein, Selbstbeherrschung, Selbstreflexion gehen ja zusammen. Der Mensch ist eben, wie schon Ihr großer Philosoph Nietzsche sagte . . .“
„. . . kein Individuum, sondern ein Dividuum“, sagte Troller. „Der eine Teil schaut auf den anderen, das macht den Menschen aus.“
    „Und den erweiterten Affen“, sagte Jane.
„Genauso ist es“, sagte Marconi. „Die Affen, die Sie hier gesehen haben, waren unsere erste Entwicklungsstufe. Inzwischen sind wir noch weitergegangen. Ich will es Ihnen zeigen.“
Sie standen jetzt vor einer Tür, zu der Marconis Schlüssel offenbar nicht passte. Oder er wollte seinen Mitarbeiter nicht bei irgendwelchen Experimenten überraschen. Links von der Tür war eine Klingel.
Marconi drückte auf den Knopf. „Ziegler lebt seit fünfzehn Jahren in den Staaten“, sagte er, während sie warteten. „Die Forschung in Deutschland wird von der Politik zu sehr behindert, behauptet er. Zu viel falsche Bedenken. Zu viel falsche Moral. Die Nazis hätten Schuld. Mengele und Konsorten. Mit all dem grausamen, verbrecherischen, pseudowissenschaftlichen Unsinn, den sie in den KZs getrieben hätten. Widerlich.“
Die Tür öffnete sich und ein mittelgroßer, etwa fünfundvierzigjähriger Mann mit Backenbart stand vor ihnen. Auffallend in seinem Gesicht waren der große Mund und die hervorstehenden Zähne. Als er zur Begrüßung lächelte, schoben sich seine Lippen zurück und gaben den Blick auf das Zahnfleisch frei.
Jane starrte ihn an. Auch Troller konnte einen bestimmten Gedanken nicht unterdrücken. „Machen Sie sich nichts draus“, sagte Ziegler auf deutsch. „Ich kenne diesen Blick. Wenn man so lange mit Affen arbeitet wie ich, dann wird man ihnen ähnlich. Oder war es andersrum? Weil ich den Affen so ähnlich bin, sind sie meine Freunde geworden? Auf jeden Fall weiß ich, wie ich aussehe. Ich sehe mich jeden Tag im Spiegel. Aber zunächst mal“, und damit wechselte er über ins Amerikanische, „hi, how ya doin’.“ Er gab

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