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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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ihnen die Hand und bat sie hereinzukommen. Wieder ein kleiner Gang, von dem links und rechts je ein Zimmer abging. Am Ende wieder eine Eisentür. Es kam Troller so vor, als müssten sie sich genau unter der Ruine befinden.
    „Sie dürfen sich nicht über seinen Schädel wundern“, sagte Ziegler, bevor er die rot lackierte Tür am Ende des Ganges öffnete. „Wir mussten die Hirnschale etwas vergrößern. Und auch das Stützkorsett sollte Sie nicht schrecken. Das ist ein Problem, wenn der Kopf zu schwer wird. Wie sollen die Halsmuskeln ihn tragen? Wir müssen uns da noch etwas einfallen lassen. Aber – wenn ich Sie um eines bitten darf: Lachen Sie nicht. Bitte. Ich meine es ernst. Er ist sehr verletzlich. Und auch, wie soll ich sagen, ein bisschen eitel.“
     
    Und damit öffnete er die Tür.
Der Anblick, der sich ihnen bot, hatte nichts Ungewöhnliches. Ein ganz normales Zimmer, Wohn- und Schlafzimmer in einem, beinahe gemütlich eingerichtet. Nur fensterlos. Man hörte das leise Rauschen einer Klimaanlage über die Musik hinweg, die den Raum erfüllte. Eine zarte, heitere Musik. Mozart. Oder Haydn. Sie kam aus einer Stereoanlage, die auf einem niedrigen Regal an der rechten Wand stand. Daneben ein roter Sessel und eine Stehlampe. Der Sessel stand mit der Rückenlehne zu ihnen, man konnte nicht sehen, ob jemand darin saß oder nicht. An der Wand gegenüber befand sich ein Bett, an einer anderen ein Schreibtisch. Dazwischen, seltsamerweise, ein Klettergerüst und eine Schaukel, die in der Mitte des Zimmers aufgehängt und am Gerüst festgeklemmt war. Auf dem Boden ein Teppich. Hinten an der Wand eine weitere Tür, die leicht geöffnet war.
„Ist das Ihr Zimmer?“, fragte Jane.
„Nein“, sagte Ziegler, „es gehört Mr. Pan.“
„Einem Affen?“, fragte Troller.
„Er war ein Affe“, sagte Ziegler. „Jetzt ist er – aber sehen Sie selbst. Er ist auf Ihren Besuch vorbereitet. Vielleicht ist er noch im Bad und wäscht sich die Hände.“
„Nein“, sagte eine Stimme, die aus dem roten Sessel kam, „ich bin hier.“ Und zugleich drehte sich der Sessel.
Mr. Pan war sehr korrekt gekleidet. Er trug einen dunkelbraunen Anzug mit Weste, ein rosafarbenes Hemd und eine grüne Krawatte. Seine Schuhe waren schwarz und vorn sehr breit. Troller trug manchmal, weil er empfindliche Füße hatte, eine Art von Schuhen, die Bequemschuhe genannt wurden. Das Bequeme an ihnen war, dass sie die Zehen nicht einsperrten. An solche Schuhe erinnerten die von Mr. Pan. Sein Hals steckte, wie von Ziegler angekündigt, in einem Stützkorsett, das ebenfalls braun war, passend zum Anzug.
Mr. Pan saß sehr ruhig da. Seine Beine hatte er übereinander geschlagen, seine behaarten Affenhände lagen gefaltet auf seinem Schoß. Eine merkwürdige, auf seltsame Weise Respekt einflößende Erscheinung. Das Allermerkwürdigste aber war der hohe Schädel über dem Affengesicht. Kein flacher Schimpansenschädel. Eine hohe Stirn, darüber die gewölbte Schädelkuppe, die von einem flachsblonden Toupet bedeckt war.
„Guten Tag, Mr. Pan“, sagte Jane. „Mein Name ist Jane Anderson, und das hier ist Richard Troller. Wir sind Journalisten. Wir kommen aus Deutschland.“
„Ich bin leider nie in Deutschland gewesen“, sagte Mr. Pan. Seine Stimme hörte sich an wie eine Computerstimme, sie kam aus einem Lautsprecher, der in seinem Anzug verborgen sein musste. Wahrscheinlich wurde sie von einem Mikrofon aufgenommen, das sich unter dem Halskorsett befand. „Es muss ein sehr schönes Land sein. Helmut hat mir viel von Ihrem Heimatland erzählt. Mein eigenes Heimatland ist . . .“, er stockte und überlegte eine Weile, bevor er fortfuhr. „Meine ursprüngliche Heimat ist, wie man mir sagte, Afrika, vielleicht Guinea oder Uganda, aber ich bin nie da gewesen. Meine Familie lebt schon seit drei Generationen in den Vereinigten Staaten. Und doch kommt es mir vor, als hörte ich bisweilen das Lachen und die Schreie meiner Vorfahren, nachts, wenn ich nicht schlafen kann. Was einem nicht alles im Kopf herumgeistert! Manchmal kommt es mir vor, als sauste ich im Nu durch die Zeit und über die Kontinente hinweg, als wäre ich mit einem Male bei meinen Vorfahren, wäre einer von ihnen, wenn sie das Jagdfest ausrufen, um einen Stummelaffen zu erlegen, gemeinsam, mit tierischem Geschrei! Ahh, diese wilde Lust! Wir hetzen ihn hinauf in die Krone des mächtigen Baumes, bis er verängstigt oben auf der äußersten Spitze sitzt und zittert. Unser Anführer folgt ihm

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