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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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dass wir wissen – und dass der andere weiß, dass wir wissen, und so fort. Aber die Unterschiede zwischen den niedriger und den höher bewussten Wesen sind aus Sicht der Neurobiologie eben bloß gradueller Natur. Versuchen Sie mal, den Unterschied zwischen dem Affen und dem Menschen genau zu fassen, da kommen Sie ganz schön in Teufels Küche. Was würden Sie sagen: Was passiert, wenn Sie einem Rhesusaffen die Nase rot anmalen und ihn vor einen Spiegel stellen?“
„Er fängt an zu lachen“, sagte Jane.
„Gar nichts“, sagte Troller.
„Er merkt nichts“, bestätigte Marconi. „Aber wenn Sie dasselbe mit einem Schimpansen machen, dann fängt er an, sich an der eigenen Nase herumzuzupfen, um das rote Ding da abzumachen oder es zu untersuchen. Er sieht sich im Spiegel, er weiß, wen er da im Spiegel sieht, und er weiß, dass er normalerweise nicht so aussieht. Das heißt, er hat so etwas wie ein Selbstbewusstsein. Und die Sprache, auf die wir Menschen uns so viel einbilden? Sie können einem Affen Sprechen beibringen, wenn Sie es richtig anstellen – er kommt allerdings über Sätze mit einer Drei-Wort-Struktur nicht hinaus. Das heißt, er bleibt
auf der Stufe eines Kleinkindes stehen. Was uns nicht wundert, denn . . .“
    „Sein Gehirn ist nach der Geburt ja nicht größer geworden“, sagte Jane. „Richtig.“
    „Also hängt Intelligenz nur von der Größe des Gehirns ab?“
    „Von der Größe des evolutionär neueren Teils, der Großhirnrinde“, sagte Marconi. „Und – nicht zu vergessen – von der Architektur. Von der Zahl der Gehirnzentren, die wie ein großes polyphones Orchester zusammenspielen und gleichsam die Musik des Geistes intonieren.“
„Aber“, sagte Troller und machte eine Pause. Er wusste nicht, ob er den Gedanken aussprechen sollte oder nicht. „Wenn der Sprung – oder wenn es kein Sprung ist, dann eben der Übergang – vom Affen zum Menschen bloß von der Größe der Großhirnrinde, von der Zahl der Synapsen und der miteinander kommunizierenden Gehirnzentren abhängt, dann . . .“ Er machte wieder eine Pause und zögerte weiterzusprechen.
„Ja“, sagte Marconi, der offenbar genau verstanden hatte, was Troller zugleich sagen und doch nicht sagen wollte, „ja, genau so ist es. Und“ – er schaute auf die Uhr – „ich glaube, wir sollten jetzt gehen.“
Sie verließen das helle Gebäude durch eine Glastür, die in einen großen Park hineinführte, einen englischen Garten mit Teehäuschen, griechischen Tempelchen und sogar – sah er richtig? – einer mittelalterlichen Ruine. Plötzlich blieb Marconi stehen. „Warten Sie“, sagte er, „ich muss Ihnen noch etwas erklären, bevor wir hineingehen. Sie werden vielleicht ein wenig überrascht sein von dem, was Sie jetzt zu sehen bekommen. Sie werden vielleicht auch befremdet und sogar entsetzt sein. Aber ich möchte Ihnen versichern, dass wir mit unseren Experimenten nur ehrenwerte Zwecke verfolgen. Es geht uns nicht um Erkenntnis um jeden Preis. Es geht um Therapie, um Heilung – es geht letztlich darum, Patienten wie der armen Wilma zu helfen. Wenn wir genug über das Gehirn wissen, werden wir eines Tages auf dem Wege der Transplantation von Gehirnteilen imstande sein, Menschen wie der halbseitig gelähmten Wilma ihre Bewegungsfähigkeit zurückzugeben. Vergessen Sie das nicht!“
„Moment mal“, sagte Troller, „wenn Sie Gehirnteile transplantieren, dann müssten Sie doch eine Möglichkeit haben, diese Teile miteinander zu verknüpfen. Ich meine, Sie haben da ein paar hundert Millionen neue Neuronen und die zig Milliarden alten Neuronen, aber die müssen ja irgendwie zusammenkommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie jetzt darangehen, in mühsamer Kleinarbeit Milliarden von Dendriten und Axonen in neuen Synapsen zusammenzustöpseln.“
    „Jackson“, sagte Marconi. „Gentechnologie. In dieser Hinsicht sind diese Burschen nicht schlecht.“
„In welcher?“
„Es fing an mit den Ratten. Sie haben Ratten das Rückgrat gebrochen, sodass sie querschnittgelähmt waren. Dann haben sie ihnen eine Substanz ins Rückenmark gespritzt, mit der sie die Nerven dazu gebracht haben, sich wieder miteinander zu verbinden.“
    „NCS“, sagte Jane. „Neuro Connecting Substance.“
    „Sie kennen das Zeug?“
„Wir haben Jacksons Ratten gesehen.“
„Na ja, dann wissen Sie ja Bescheid.“
„Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie so etwas fürs Gehirn haben“, sagte Troller.
„Doch“, sagte Marconi. „Und das ist

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