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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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pazifischen Steilküste, einige Meilen nördlich von Los Angeles. Hufeisenförmig umgaben zwei dreigeschossige Flügel einen mit Granitplatten ausgelegten Innenhof, der sich zum Pazifik hin öffnete. Im Hintergrund, parallel zur Steilküste, flogen bunte Gleitsegler, die von einem nur hundert Meter entfernten Stützpunkt aus starteten. Allein oder zu zweit saßen die Flieger unter den bunten Segeln und jagten mit atemberaubendem Tempo die Küste entlang.
    Gerade wegen der strengen Nüchternheit der grauen Betonfassaden, die nur von einer Vielzahl bis zum Boden reichender Fenster unterbrochen wurden, konnte sich Troller in Blakes Traum einfühlen. Er hatte hier ein interdisziplinäres Begegnungszentrum schaffen wollen, in dem Menschen unterschiedlichster Herkunft und Denkungsart gemeinsam darüber nachdenken sollten, wie die sich zuspitzenden Menschheitsprobleme zu lösen wären. Das Ganze hatte die asketische Ausstrahlung eines Klosters.
    „Faszinierend“, sagte Troller.
„Ein fürchterlicher Betonklotz“, sagte Jane.
Sie hatten das Ende des steinernen Innenhofs erreicht, gingen ein paar Stufen hinunter und standen nun im abgesetzten Hof eines Terrassencaf´es. So weit das Auge reichte, glitzerndes Meer, das am Horizont übergangslos mit dem Himmel zu verschmelzen schien. „Im Frühjahr kannst du hier sogar die Wale wandern sehen.“
    „Lass uns gehen“, sagte Jane und zeigte auf ihre Armbanduhr. Im dritten Stock des linken Seitenflügels lag das Büro. Vergeblich suchte Jane nach einem Hinweis auf ein Sekretariat. Neben der Tür befand sich bloß ein schlichtes Schild: Phineas Blake. Keine Titel, keine Amtsbezeichnung.
    Jane klopfte an die Tür. Nichts regte sich. Sie klopfte noch einmal. Durch den geöffneten Türspalt lugte ein blässlich wirkender älterer Herr mit hängenden Schultern, der nichts mit dem dynamischen Forscher gemein hatte, den Troller erwartet hatte.
    „Professor Blake?“, sagte Jane.
    „Hi! How ya doin’.“
    „Kommen Sie herein.“ Blake schien belustigt über Janes forsche Art. „Sie sind von diesem deutschen Magazin, nicht wahr?“
    Blakes Büro war ein großer rechteckiger Raum, dessen eine Seite nur aus Glas und ein paar Verstrebungen bestand. Der Blick auf den Pazifik war überwältigend. Auf Blakes geschwungenem Glasschreibtisch standen lediglich ein Telefon und ein Notebook. Die gegenüber liegende Ecke war mit einer schwarzen Ledergarnitur im Bauhausstil und einem Glastischchen möbliert. Die Wände waren aus nacktem Beton. An einer Wand sah man ein riesiges abstraktes Gemälde, rote, gelbe und blaue Flecken, scheinbar planlos auf einer weißen Fläche verteilt. An der Wand neben dem Schreibtisch hing ein Foto, das Troller kannte: das Gruppenfoto der WSS-Konferenz von 1995. Darüber stand in riesigen Lettern ein Wort geschrieben: SYNTOPIE.
    Blake wies auf das Meer. „Sehen sie, ich arbeite seit über fünfundzwanzig Jahren hier und bin doch jeden Tag aufs Neue fasziniert von diesem Blick. Meer, Sonne und Himmel. Das ist die Essenz unseres Seins. Aus dem Meer sind wir gekommen, und im All werden wir vergehen. Die Sonne wird dabei eine besondere Rolle spielen. Die Erde, die Menschheit, das Leben, so wie wir es kennen, werden in ein paar hundert Millionen Jahren ausgelöscht sein. Die Sonne wird uns absorbieren, und wir werden verkochen. Keine angenehme Vorstellung. Deshalb hoffen manche, dass irgendwo im Universum anderes Leben existiert. Ich für meinen Teil glaube das nicht. Aber auch wenn es so wäre, läge darin kein Trost. Wir haben nur eine Bestimmung: Aus diesem Leben, so wie wir es geschenkt bekommen haben, etwas zu machen. Sehen Sie, immer wenn ich diesen Blick genieße, gehen mir solche Gedanken durch den Sinn, und dann verstehe ich nicht, warum so wenige Menschen den Wert unseres so einzigartigen Lebens schätzen, warum sie so wenig unternehmen, es zu bewahren.“
    Sein Blick schweifte in die Ferne. „Haben Sie mal den Gesang der Wale gehört? Es ist ergreifend.“ Er schien seine Gäste vergessen zu haben. Dann, auf einmal, ging ein Ruck durch ihn. „Was bin ich für ein schlechter Gastgeber. Überfalle Sie mit meinem Geschwätz und weiß noch gar nicht, was Sie interessiert. Nehmen sie doch Platz. Möchten sie Kaffee?“
    Troller überreichte Blake eine Ausgabe von Fazit und erläuterte ihm den Sinn der geplanten Interviewserie. „Wir wollen unseren Lesern einen Überblick darüber geben, wohin sich die Wissenschaft im 21. Jahrhundert entwickeln wird. Und bei

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