Gottes Gehirn
Cajun-Küche?“, fragte Jane, weil gerade die Kellnerin kam und ihnen die Teller brachte.
„Veraltet“, sagte Turner.
„Atavismus. Aber lecker. Guten Appetit.“
„Das ist ja eklig“, rief Jane plötzlich angewidert.
„Schon wieder diese verdammten Biester!“
Troller blickte auf und sah, wie sich zwei rote Viecher auf einem Salatblatt tummelten.
„Termiten“, sagte Turner unbeeindruckt und schnippte sie mit erstaunlichem Geschick von Janes Teller.
„Die Dinger sind eine echte Plage. Besonders nachts. Jeder Lichtstrahl zieht die Viecher an. Sie quetschen sich durch die kleinsten Ritzen und kriechen unter den Türen hindurch. Manchmal kommen sie zu Hunderten und Tausenden. Ihre nächsten Verwandten sind übrigens nicht die Ameisen, sondern die Kakerlaken.“
„Guten Appetit“, sagte Troller.
„Warum nicht“, sagte Turner gutgelaunt und schob sich eine kräftige Portion Salat zwischen die Zähne.
„Geröstet sollen sie übrigens ganz passabel schmecken. Aber im Ernst, sie sind eine der größten Gefahren für die Bausubstanz, die Infrastruktur und das Ökosystem der USA. Haben Sie diese blau eingehüllten Häuser hier in der Altstadt gesehen?“
„Klar“, sagte Jane, „was ist mit denen?“
„Die sind luftdicht verpackt, damit man Methylbromid hineinpumpen kann, ein Gas, das die Termiten vernichten soll.“
„Und schafft es das?“, fragte Jane und stocherte lustlos in ihrem Salat herum.
„Ja“, sagte Turner. „Aber es sind einfach zu viele. Irgendjemand hat ausgerechnet, dass die Biomasse der Termiten weltweit das Gewicht der gesamten Menschheit um das Zweieinhalbfache übertrifft.“ Er sagte das mit einem merkwürdig zufriedenen Gesichtsausdruck, als wäre er schon längst im Weltraum und damit auf der sicheren Seite.
„Hat diese Plage eigentlich in letzter Zeit zugenommen?“, fragte Troller. Turner nickte knapp, ohne den Blick von Jane zu lassen. „Zur Zeit erleben wir einen Höhepunkt. Der Juli ist ihre Paarungszeit.“
„Und ist es dieses Jahr besonders schlimm?“
„Wenn das so weitergeht, werden sie das ganze Vieux Caré wegfressen.“
Jane wechselte das Thema.
„Was sagen Sie zu Lansky?“, fragte sie.
„Ich meine, zu seinem Tod?“
Turner aß ungerührt weiter.
„Er wird im Omegapunkt wiederauferstehen“, murmelte er.
„Sicher“, sagte Jane. „Aber wer könnte ihn umgebracht haben?“
„Fanatiker“, sagte Turner.
„Genau dieselben Leute, die mich bedrohen.“
„Sie werden bedroht?“ Troller hatte Turner mit seiner Vision von der Evakuierung der ganzen Menschheit eher auf der Täterseite gesehen. Jemand, der sein Leben und die Wissenschaft in den Dienst der allerfernsten Zukunft stellt, könnte leicht den Wert des einzelnen Lebens vergessen. Und nun wurde Turner selbst bedroht?
„Aber warum?“, fragte Jane und legte ihre Hand auf Turners Unterarm.
„Die Leute sind einfach zu dumm“, sagte er. „Sie verstehen mich nicht. Ich liefere den physikalischen Beweis dafür, dass die großen Religionen mit ihrer Vision von der Auferstehung und dem Paradies Recht haben – und irgendwelche religiösen Fanatiker halten mich für einen Gotteslästerer. Hier“, sagte er und griff in seine Aktentasche, „die Post von heute.“
Er warf ein Bündel aufgerissener Briefkuverts auf den Tisch. Jane fischte einen Brief heraus und las: „Lansky war erst der Anfang – du bist der nächste.“ Der Text war aus ausgeschnittenen Zeitungsbuchstaben zusammengesetzt.
„Es ist wie bei John Lennon“, sagte Turner. „Der hatte in einem Zeitungsinterview gesagt: Jetzt sind wir populärer als Jesus. Das hat ihn das Leben gekostet. Religiöse Fanatiker haben rituelle Beatles Burnings veranstaltet, an denen auch Mark Chapman teilnahm, der Mörder von Lennon. Ja, wir sind ein sehr, sehr frommes Land.“ Er lachte, aber es klang nicht besonders froh.
„Warum sollten religiöse Fanatiker etwas gegen Lansky haben?“, fragte Jane.
„Weil er mit seinen Robotern Gott ins Handwerk pfuschte.“
„Genau wie Sie?“
„Ich? Ich tue doch nur alles, um IHN zu vollenden“, sagte Turner demütig.
„Oder SIE“, sagte Jane.
Turner hob entschuldigend die Hände.
„Aber das hieße doch“, sagte Jane, „dass nicht Gott der Schöpfer der Erde und des Menschen ist, sondern dass die Menschen die Schöpfer Gottes sein werden.“
„Ja“, sagte Turner. „Aber das ist nur die menschliche Sicht. Die Menschen leben in der Zeit, Gott ist außerhalb der Zeit. ER oder SIE wird sein – aber ER oder SIE ist
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