Gottes Gehirn
Troller sich nach Werkzeug umsah. Jane rüttelte an den Gittern, die aber keinen Millimeter nachgaben.
„Moment mal“, sagte Troller und schob den Besen, den er im Putzschrank gefunden hatte, unter das Gitter. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen ihn und versuchte das Gitter aufzuhebeln. Der Besenstiel zerbrach, ohne dass sich das Gitter bewegt hatte. „Es hat keinen Zweck“, sagte Troller. Jetzt erst bemerkte er den Sog, den das offene Fenster erzeugte. Dicker Qualm drang durch die Ritzen der Wohnzimmertür und erschwerte das Atmen. „Lass uns das Fenster zumachen“, sagte er, „sonst breitet sich das Feuer noch schneller aus.“
„Ersticken oder verbrennen, was ist schöner?“, sagte Jane.
Troller hustete. Seine Augen begannen zu tränen. Herrgott, was für blutige Laien sie doch waren. Die Gitter waren unüberwindlich.
„Wir müssen die Haustür knacken“, sagte er. „Das ist unsere einzige Chance.“
Jane nickte. Wahllos rissen sie die Schubladen und Türen der Küchenschränke auf und suchten weiter nach Werkzeugen. Doch außer diversen Messern, Gabeln, Löffeln und einem Schraubenzieher war da nichts zu finden. Und selbst wenn, die Tür hatte ein Sicherheitsschloss, wie sollten sie das knacken? „Vielleicht gibt es irgendwo einen Zweitschlüssel“, sagte er und lief in den Flur zurück. Hastig durchstöberte er die Schubladen der Kommode, die im Flur stand und tastete den Holzbären ab. Nirgendwo eine Spur von einem Schlüssel. Der Qualm, der durch die Ritzen der Wohnzimmertür drang, wurde immer dicker. Die Hitze war allmählich kaum noch zu ertragen. Troller lief der Schweiß im Strömen die Stirn hinunter. Er hustete immer mehr und spürte, wie sich seine Lungenflügel zusammenkrampften. Und mit einem Male wurde ihm klar: Es würde nur noch wenige Minuten dauern, bis sie hier jämmerlich erstickten.
Jane hatte den Schraubenzieher in der Hand und begann verzweifelt den Türrahmen zu bearbeiten. Doch Troller sah, dass es ein aussichtsloses Unterfangen war. „Es hat keinen Sinn“, sagte er. „Es hat keinen Sinn.“ Er legte seine Hand auf Janes Schulter. „Uns bleiben nur noch wenige Minuten.“ Er setzte sich mit dem Rücken zur Tür auf den Boden. Es hatte keinen Sinn, gegen sein Schicksal anzukämpfen. Man musste es annehmen. Er blickte zu Jane auf, die weiterhin mit dem Schraubenzieher in der Höhe des Schlosses die Türfüllung auszuhebeln suchte. „Wir können nicht aufgeben“, sagte sie.
„Es ist zu spät“, sagte Troller. Er musste an Sarah denken. Welche Erinnerung würde sie an ihn haben? Wahrscheinlich kaum eine. Ein Mann, der sich nicht viel um sie gekümmert hatte. Ein Vater, der vor seine Rolle davongelaufen war. Einer, der nicht begriffen hatte, dass das Leben wichtiger war als irgendein Buch, das er unbedingt schreiben wollte.
Jetzt hatte auch Jane aufgegeben. Hustend hockte sie sich neben ihn. Troller begann flach zu atmen, um nicht zu viel Qualm zu schlucken. Jane liefen die Tränen die Wangen hinab. Troller wusste nicht, ob es die Erschütterung war oder nur der Qualm. „Hast du das eigentlich ernst gemeint?“, fragte er.
„Was?“
„Dass wir, wenn alles vorbei ist, in die Karibik fahren und uns mit Caipirinhas voll laufen lassen.“
Jane dreht sich zu ihm. Ihre Augen tränten, ihr Gesicht war vom Ruß geschwärzt. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und legte ihre Stirn gegen seine.
In diesem Moment hörten sie, wie ein Schlüssel ins Türschloss gesteckt und umgedreht wurde. Troller spürte den Druck der Tür in seinem Kreuz. Jane war bereits aufgesprungen und zog ihn hoch. Die Tür wurde geöffnet, und der frische Sauerstoff, der mit einem Male Trollers Lungen füllte, ließ ihn schwindelig werden. Durch die Rauchschwaden, die nach draußen drängten, sah er eine Gestalt im Türrahmen stehen.
Es war ein Trugbild, eine Halluzination. Er kannte diesen Mann, aber es war unmöglich, dass er jetzt vor ihm stand. Es konnte nicht sein. Hatte er seinen Verstand verloren? War die Tür, die sich geöffnet hatte, schon die Tür zur anderen Welt?
„Was ist?“, fragte Jane, die den Mann nicht sehen konnte, weil er von der Tür verdeckt war. „Was ist los?“
Gewiss, dachte Troller, die langen grauen Haare, die hat er nicht gehabt. Diesen hinten zusammengebundenen Zopf, den nicht. Aber die Gesichtszüge? Nein, es gab keinen Zweifel.
Jetzt öffnete der Mann den Mund und sagte: „Wo ist mein Bruder?“
BEHRMAN
Sie saßen in einem zu einem Studio ausgebauten Loft in
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