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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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sie nur eine überspannte, geltungsbedürftige Frau, der es darauf ankam, das öffentliche Interesse auf sich zu lenken?“ Adams schien die erwartungsvolle Anspannung zu genießen.
„Nun, es wird Sie vermutlich erleichtern zu hören, dass die Wissenschaftler übereinstimmend zu dem Ergebnis kamen, die Stücke seien nur bedingt typisch für den jeweiligen Komponisten. Rosemarys Bach fehlte der Kontrapunkt, ihrem Schumann das dichte Gewebe, ihrem Liszt die virtuosen Passagen, ihrem Mozart die himmlische Heiterkeit. Durchgehend nur amateurhafte Harmonik, ungeschickte Akkordverbindungen, wenig Balance und naive Begleitung. Ein Kritiker meinte gar: Alles in allem entstünde der Eindruck einer Transskription oder Improvisation durch einen von Natur aus zwar musikalischen, aber unausgebildeten und technisch beschränkten Klavierspieler.“ Adams nahm die Brille ab. „Rosemarys Fall ging eine Weile durch die Presse, bis sie ganz plötzlich einen Gehirnschlag erlitt und starb. Eigentlich schade“, sagte er und setzte die Brille wieder auf. „Ich mochte Rosemary. Ihr Fall beschäftigte mich. Ich wusste nicht, warum. Ich träumte sogar ein- oder zweimal von ihr. Dann vergaß ich sie. Bis – ja, bis ich ein zweites Erlebnis hatte, bei dem mir schlagartig klar wurde, was an Rosemarys Fall mich so sehr fasziniert hatte.“ Er griff nach einem Glas Wasser, nahm einen Schluck und fuhr fort: „Eine Weile nach Rosemarys Tod war ich zufällig in Boston, wo ich unter anderem mit Lennart Lansky zusammenkam, du erinnerst dich, Lennart. Wir machten zusammen eine Sightseeingtour, den berühmten Freedom Trail entlang, der den Besucher von einer historischen Stätte zu anderen führt, Sie werden ihn alle kennen. Während wir an den berühmten Stätten und Plätzen vorbeigingen, trafen wir immer wieder auf Personen in historischen Kostümen, die den Touristen, die um sie herumstanden, ihre Geschichten erzählten. Geschichten von damals, aus der Pionierzeit unseres wunderbaren Landes. Es war faszinierend. Wenn das möglich wäre, dachte ich. Wenn man sich wirklich mit den großen Männern und Frauen, die wir aus unserer Geschichte kennen, unterhalten könnte, ganz persönlich, über alle Grenzen von Ort und Zeit hinweg!“
    Adams machte wieder eine Pause und blickte prüfend in die Runde. „Ich glaube“, fuhr er fort, „Sie verstehen, was ich meine. Ich habe meinen Mitarbeitern diese Idee vorgestellt, und einige waren so inspiriert, dass sie gleich darangegangen sind, meine Vorstellungen zu visualisieren. Die genialsten Gehirne kommunizieren mit uns, sie stehen uns jederzeit zur Verfügung, sie teilen uns ihre Gedanken und Eingebungen mit und sind, wenn wir und sie es wollen, auch imstande, miteinander zu kommunizieren, Beethoven mit Bach, Goethe mit Kafka, Shakespeare mit Shaw.“ Nun hob er die Stimme, als wäre er der Ansager in einer Las-Vegas-Show, und verkündete: „Meine Damen und Herren, ich freue mich, Ihnen exklusiv – als Weltpremiere – unsere kommunizierenden Genies vorstellen zu können.“
    An dieser Stelle wurde der Ton undeutlich, das Bild flackerte und man sah links und rechts hinter Adams zwei Lichtgestalten, holographische Animationen, die Pablo Picasso und Sigmund Freud darstellten. Man sah noch, wie diese Gestalten einander begrüßten und offenbar auch das Publikum wahrnahmen – dann brach die Video-Aufzeichnung ab.
    „Nun?“ Behrman schaute Jane und Troller erwartungsvoll an. „Eine wunderbare Idee“, sagte Jane. „Ich gäbe was darum, mal mit Picasso und Freud zu plaudern.“
„Wir waren alle beeindruckt. Adams forderte uns auf, Fragen an die beiden Genies zu stellen, und sie antworteten durchaus verständig. Und besser noch, sie fingen an, miteinander zu diskutieren . . .“
„Sie diskutierten miteinander, so als ob sie noch am Leben waren?“
„Genau so“, sagte Behrman, und er schien jetzt selbst begeistert von dem, was er damals erlebt hatte. „Oder beinahe so. Auf normale Fragen wussten sie fast immer eine Antwort. Nur bei komplizierteren Fragen antworteten sie mit Allgemeinplätzen oder gaben unumwunden zu, nicht mehr weiterzuwissen. Aber das Beste war, dass sie – oder ihre holographischen Wiedergeburten – dabei durchaus natürlich agierten. Keine eckigen, computerisiert wirkenden Bewegungen, nichts dergleichen. Sie waren aus Licht, aber sie wirkten so natürlich, als wären sie aus Fleisch und Blut.“
„Computergestützte Animation alter Bilder“, sagte Troller.
„Raffinierter. Sie

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