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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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verurteilt ist. Ich glaube nicht an das, was man die starke KI nennt. Man wird das menschliche Gehirn nicht auf eine Festplatte bannen können, dafür gibt es sowohl philosophische als auch neurophysiologische Gründe. Fragen Sie Marconi, der kennt sich da aus. Und Turners Omegapunkt-Computergehirn ist doch nichts als eine bizarre Science-Fiction-Idee.“
„Das Merkwürdige ist nur“, sagte Troller, „dass wir alle so ein starkes Verlangen danach haben, die Einheit des Wissens herzustellen. Blake mit seiner Syntopie, Adams mit seinem Geniepark, Turner mit seinem Omegapunkt, alle wollen letztlich die Einheit des Wissens.“
„Und alle glauben an ihre Machbarkeit, daran, dass wir imstande sind, diese Einheit mit technischen Mitteln zu erreichen. Aber ich bin sicher, dass die Natur den Omnipotenzwahn des Menschen nicht mehr lange duldet.“
„Warum nicht?“, sagte Jane. „Sie hat es doch bisher getan.“
Behrman schüttelte den Kopf. „Haben Sie nicht die merkwürdigen Meldungen gelesen, die sich in den letzten Tagen und Wochen gehäuft haben. Stromausfall in der Wall Street! Und warum? Weil Ratten die Kabel zernagt haben. Rätselhafte Ausfälle im Rechenzentrum von IBM! Und warum? Weil es sich Mikroorganismen auf den Platinen gemütlich gemacht haben. Sie können solche Meldungen Tag für Tag in der Zeitung lesen, aber die Öffentlichkeit nimmt diese Vorfälle immer nur als Einzelfälle wahr, nicht im Zusammenhang. Ich aber sage Ihnen, es ist so weit: Die Natur schlägt zurück!“
Moment mal, dachte Troller. Sollte Kowalski mit seinen E-Mails doch den richtigen Riecher gehabt haben?
„Ist es Ihnen“, fuhr Behrman fort, „bei einigen dieser Vorfälle nicht auch so vorgekommen, als seien die Tiere mit Vernunft begabt? Oder als stünde ein planender Geist hinter all diesen Aktionen? Die Termiten, die die Altstadt von New Orleans zerfressen, die Killerbienen, die über Tucson hergefallen sind, die Ratten in New York? Wenn es aber so ist, wenn die Termiten, die Bienen, die Ratten oder die Vögel auf einmal vernunftgemäß nach ihren eigenen Interessen handeln, dann gute Nacht. Das wäre das Ende unserer Zivilisation. Das wäre das Ende der Menschheit. Aber warum nicht? Welchen Grund sollte die jahrtausendelang gequälte, gepeinigte und erniedrigte Natur haben, auf uns Rücksicht zu nehmen? Haben wir jemals Erbarmen mit den Tieren gehabt? Und noch etwas“, er schaute wieder auf seine Apparate mit den Frequenzanzeigern. „Ist Ihnen die neue Melodie aufgefallen? Der neue Klang? Die Welt schwingt in einer neuen Frequenz! Und die Tiere sind die ersten, die diesen neuen Klang vernehmen. Die Tiere – und die Pflanzen.“
Jane sah Troller mit einem Ausdruck an, der zu besagen schien: Jetzt ist er endgültig durchgeknallt.
Troller dachte: Neue Melodie? Interessante These. Er lauschte und nahm einen summenden Ton wahr. Ganz leicht nur. Aber immerhin.
Behrman stand auf, machte ein paar Schritte in Richtung auf die indische Ecke und drehte sich mit einem Mal um, als hätte er sich eben entschlossen, sein letztes Geheimnis preiszugeben. „Wissen Sie“, sagte er, „ich arbeite schon seit einigen Jahren an einer Weltresonanztheorie.“
„Weltresonanztheorie?“, sagten Troller und Jane gleichzeitig.
„Ja, Sie haben richtig gehört. Ich habe nachgewiesen, dass alle stabilen Strukturen, Zeitkreise, harmonische Schwingungen, Oszillationen und Sinus-Schwingungen, regelhafte und reversible Zeitfolgen sind, ob nun das Atom mit seinen Eigenfrequenzen, der Blutkreislauf, die weibliche Monatsregel, die Jahreszeiten, die Mondphasen, die grüne Welle der Verkehrsampeln, der Zitronensäure-Zyklus des Zellstoffwechsels, der 24-Stunden-Rhythmus unserer Körpertemperatur oder die periodischen Hirnströme. Zeit ist Sein, und Sein ist Zeit. Alles schwingt.“
Jane warf Troller einen hilflosen Blick zu, aber Troller hörte gebannt zu. Behrman fuhr fort: „Daraus ergibt sich ein völlig neuer Blick auf die Zusammenhänge in unserer Welt: Schwingende Systeme können nämlich miteinander in Resonanz treten.“
„Das klingt ziemlich abstrakt“, sagte Jane.
„Warten Sie“, sagte Behrman. Er ging auf das Podest, auf dem die Musikinstrumente standen, und setzte sich an den Flügel. „Das kennen Sie auch“, sagte er laut, während er wie ein Besessener auf eine Taste einhämmerte, „wenn man am Klavier einen einzelnen Ton anschlägt, wieder und wieder, dann summt bald die Oktave mit, dann die Quint, dann die Terz usw. und schließlich

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