Gottes kleiner Finger - [Thriller]
sind. Wenn nur die Hälfte von ihnen offen wäre, würde die gesamte Luft dorthinströmen, und der Wind wäre dann schon etwas zu stark.«
»Und wenn nur eine Luke offen wäre?«, fragte Lauri schüchtern.
Katharine sah Lauri ungläubig an.
»Mich darfst du das nicht fragen!«, lachte Janet. »Eine solche Situation will ich mir nicht einmal vorstellen.«
»Die ganze heiße Luft würde dann durch dieses einzige Gehäuse strömen?«, vergewisserte Lauri sich noch einmal.
»So müsste es sein«, bestätigte Janet.
Interessant, sinnierte Lauri. Er scherte sich nicht um Katharines etwas finstere Miene.
Das Dach des Gewächshauses fiel zu den Rändern hin sanft ab. Der helle, offene Streifen zwischen Dach und Erdboden war erstaunlich weit entfernt und schmal. Die das Dach stützenden Pfeiler bildeten einen geordneten, regelmäßigen Wald, dessen Bäume zu den Rändern hin kürzer und dünner wurden.
Wieder fuhren sie an der schweren Luke einer Windturbine vorbei.
»Ähm ... ich hätte da noch eine etwas spezielle Frage«, sagte Lauri.
»Lass hören«, forderte ihn Janet auf.
»Was passiert, wenn die beiden großen Türen des Versorgungstunnels geöffnet werden und die Luken aller Windturbinen gleichzeitig geschlossen sind?«
Janet sah Lauri verblüfft an.
»Warum sollten wir das tun?«
Mit Unschuldsmiene breitete Lauri die Hände aus.
»Ich möchte es nur wissen.«
Katharine sah ihn missbilligend an.
»Wenn die Luft sich erwärmen würde, begänne der Wind sicherlich in die andere Richtung zu blasen«, sagte Janet. »Die heiße Luft würde zu den Rändern des Gewächshauses hinströmen. Durch den Tunnel käme stattdessen neue, kühlere und schwerere Luft herein.«
»Wie stark wäre der nach außen blasende Wind?«, fragte Lauri.
Er plant etwas, dachte Katharine. So gut kenne ich ihn schon. Er heckt wieder irgendetwas aus. Ich verstehe nur noch nicht, worauf er diesmal hinauswill!
»Na ja, natürlich längst nicht so stark wie der Luftstrom, der in den Turm steigt«, vermutete Janet. »Aber ich glaube, dass es trotzdem ein ziemlich steifer Wind wäre.«
Als sie mit dem Aufzug in den Kontrollraum fuhren und die über das Gewächshaus führende Brücke überquerten, verstanden Lauri und Katharine schnell, dass die Sonnenbrillen nötig waren. Obwohl der größte Teil des Sonnenlichts im Inneren des Glases verschwand, waren sie von seiner Leuchtkraft doch stark geblendet.
»Jörg Schlaich hatte in Spanien eine Versuchsanlage von fünfundvierzig Kilowatt«, erzählte Janet. »In Manzanares, ungefähr auf halbem Weg zwischen Malaga und Madrid. Übrigens haben wir uns überlegt, das Glasdach zum Sammeln von Wasser zu verwenden. Wir werden das gesamte, aufs Dach tropfende Wasser in Regenrinnen auffangen. Ein Kernkraftwerk derselben Größe würde übrigens im Jahr mindestens vierzig Millionen Tonnen Süßwasser verbrauchen.«
»Dies hier ist übrigens viel höher als deine kleinen Pyramiden«, bemerkte Lauri, zu Katharine gewandt.
»Sie sind allerdings auch viel älter«, verteidigte sich Katharine. »Und schöner.«
»Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters«, widersprach Lauri. »Du würdest dich wundern, wenn du wüsstest, was die Menschen so alles im Lauf der Zeit für das Schönste gehalten haben, was man sich vorstellen kann.«
»Die Cheopspyramide hatte fast viertausend Jahre lang den Rang des höchsten Gebäudes der Welt inne. Ich glaube nicht, dass dieser Turm sich ebenso lange auf den führenden Plätzen halten wird.«
Janet deutete mit der Hand auf den Fahrkorb mit Glasfenstern, der sich gerade am Turm entlang nach oben bewegte und an einem sehr dünn wirkenden schwarzen Kabel hing. Es war, als bewegte sich der Aufzug im Schneckentempo, aber Lauri war klar, dass diese Vorstellung von der unfassbaren Größe des Bauwerks herrührte.
»Möchtet ihr mit dem Fahrkorb zur Spitze fahren?«, erkundigte sich Janet.
Katharine schaute ängstlich nach oben, wandte aber den Blick sofort wieder ab. Sie wirkte ehrlich entsetzt, und Lauri hatte den Eindruck, dass sie ganz blass geworden war.
»Bedeutet diese Miene ... nein?«, fragte Janet unschuldig.
Katharine nickte rasch.
»Mir war schon auf der ersten Ebene des Eiffelturms ganz schwindlig«, klagte Katharine. »Ich würde auch nicht im Traum daran denken, mit einem Aussichtslift zur Spitze dieses Gebäudes zu fahren. Das wäre ein absoluter Albtraum.«
Lauri grinste.
»Aber Katharine, du hast mir gesagt, der Mensch müsse sich bemühen, seine
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