Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Abbala hatten seinerzeit Kamele gezüchtet, die Baggara Rinder. Die Abbala hatten jedoch bei der Bodenaufteilung während der Kolonialzeit niemals ein eigenes Heimatgebiet erhalten. Sie waren immer mehr in die Enge geraten, als Darfur austrocknete und Tiere, Wasser, Wälder und Gras dahinschwanden, sodass sie schließlich angefangen hatten, Dschandschawid, halbmilitärische Milizen, zu gründen, die den anderen Bewohnern von Darfur Land wegnahmen und Hunderttausende von Menschen töteten. Was aber machten die Dschandschawid aus Darfur in der Westlichen Wüste von Ägypten?
    Lauri kam nicht dazu, danach zu fragen, als er plötzlich etwas Überraschendes entdeckte. Inmitten der Kiesfelder und der darin verstreuten gewaltigen Steinblöcke zeichnete sich etwas Rundes, regelmäßig Kreisförmiges ab.
    Wo sind wir?, fragte er sich verwundert. Der Anblick kam ihm irgendwie bekannt vor.
    Als Lauri näher kam, sah er, dass sich auf dem Erdboden ein gleichsam aus flachen Steinen sorgfältig gebauter Ring befand. Er war etwa drei Meter breit und hatte einen Durchmesser von vielleicht dreißig Metern. Der Ring war rund und symmetrisch. Darin befand sich nichts als Kies. Die für den Bau des Rings verwendeten flachen Steine waren alle etwa gleich groß, zirka zwanzig Zentimeter lang und ebenso breit. Jemand musste viel Mühe aufgewandt haben, um sie zusammenzusuchen. Obwohl es in der Wüste viele Steine gab, glichen diese einander in erstaunlicher Weise. Zwischen den Steinplatten gab es schmale Ritzen, die Steine lagen nicht ganz dicht beieinander. Außerhalb des Rings befanden sich Steinblöcke, die in Form von Pfeilspitzen gelegt waren. Jede Pfeilspitze war neunzig Grad von der nächsten entfernt.
    Wo hab ich so was schon mal gesehen?, überlegte Lauri.
    Dann fiel es ihm ein, und kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.
    Flieh in die Wüste, dann kannst du überleben.
    » Geht es dir gut?«, fragte die Frau. »Du bist irgendwie blass. Jedenfalls blasser als sonst.«
    Wieso hat es so lange gedauert, bis es mir einfiel?, wunderte sich Lauri. Obwohl alles genau so war wie in seinem Traum. Die Sanddünen, die Spuren von zwei Kamelen und jener merkwürdige, aus platten Steinen gebaute Ring. Vielleicht wollte ich mich nicht daran erinnern, dachte Lauri, vielleicht habe ich versucht, das Ganze zu verdrängen. Vielleicht will ich immer noch nicht glauben, dass er real ist. Denn er kann ja nicht wahr sein. Die Toten können nicht mit den Lebenden sprechen. So etwas kann einfach nicht sein.
    »Was ist das?«, fragte Lauri und wunderte sich über seine seltsam heisere Stimme. »Ein großer, steinerner Kompass?«
    »So etwas kann es sein«, bestätigte die Frau. »Diese Pfeilspitzen zeigen in die Haupthimmelsrichtungen.«
    »Könnte das ein astronomisches Observatorium sein?«
    »Warum nicht? Tatsächlich kennt niemand die Bedeutung dieser Steinkreise.«
    »Gibt es viele davon?«
    »Allein bei Wahat el-Dakhla gibt es davon mehr als hundert. Ähnliche befinden sich in Nabta Playa, in einigen davon stehen jedoch viele Tonnen schwere, schlanke Steinstelen. Mehrere davon gibt es auch in Libyen.«
    »Wie alt sind sie?«, fragte Lauri. »Stammen sie aus dem vorigen Jahrhundert?«
    Die Frau lachte.
    »Die hiesigen Steinkreise sind den Forschungen zufolge mindestens zwölftausend Jahre alt.«
    Lauri konnte das kaum glauben. Zwölftausend Jahre? Die ältesten Megalithe Europas waren vor siebentausend Jahren aufgestellt worden. Die ältesten, nach den Tagundnachtgleichen und den Mondphasen ausgerichteten Riesenhaufen in Finnland sind nur fünfeinhalbtausend Jahre alt.
    »Die Wüste ist voller Rätsel«, sagte die Frau.
    Sie schien sich in vielen Dingen sehr gut auszukennen. Wer war sie eigentlich? Woher stammten ihre Kenntnisse?
    Lauri drehte sich noch einmal nach dem im Mondlicht badenden, geheimnisvollen Steinring um. Dann setzten sie ihren Weg fort. Schon ein paar Stunden später verlor Lauri sein Zeitgefühl. Da hielt die Frau ihr Kamel auf einer hohen Barchandüne an und zeigte mit der Hand nach Osten.
    »Von hier aus müssten wir die Straße zwischen Wahat Dahkilah und Wahat Fararirah sehen«, sagte sie. »Leihst du mir für einen Augenblick dein Nachtfernglas?«
    Lauri nahm das Fernglas aus dem Rucksack. Die Frau stieg von ihrem Kamel ab, setzte sich und stützte die Ellbogen auf die Knie. Sie betrachtete den östlichen Horizont prüfend durch das Fernglas, sorgfältig und so lange, dass Lauri sich schon wunderte, was das zu bedeuten

Weitere Kostenlose Bücher