Gottes kleiner Finger - [Thriller]
Scheidung nicht wünschte, der Mann eigentlich keinerlei Chance hatte, von ihr loszukommen.
Die Tuaregfrauen waren oft sehr reizvoll, auf eine seltsam wilde Art schön, und viele von ihnen hatten dunkeltürkisblaue Augen. Aber ihr Blick war nicht unterwürfig, wie er eigentlich hätte sein sollen, sondern oft allzu kühn und schelmisch. Die Tuaregfrauen gehorchten ihren Männern nicht unbedingt, wie es sich für eine gute Ehefrau geziemte, sondern sie verschwanden unter einem Vorwand und kehrten zu den Zelten ihrer Väter zurück, wenn ihnen etwas nicht gefiel, oder zumindest drohten sie damit. Das gesamte Vermögen der Tuareg wurde von Generation zu Generation über die Frauen vererbt, was die Dinge oftmals unnötig verkomplizierte, zumindest aus der Sicht des Mannes, denn so sollte man die Dinge betrachten, weil es der vorherrschenden, guten und gerechten Ordnung der Welt entsprach.
Da die Tuaregfrauen so unmöglich waren, zögerten die Tuaregmänner ihre Verheiratung möglichst lange hinaus und begnügten sich mit zweifelhaften Beziehungen zu übel beleumdeten Frauen.
Das Haarsträubendste nach Abdullahs Ansicht war jedoch, dass die Tuaregfrauen auch nach ihrer Heirat oft mehrere männliche Freunde hatten und dass diese Freunde sie in ihrem Zelt auch dann besuchen konnten, wenn ihr Mann abwesend war.
»Außerdem glauben die Tuaregmänner, dass das Kind eines Menschen manchmal viele Jahre lang im Mutterleib schlafen kann, bevor es herauskommt«, sagte Abdullah, und aus seiner Stimme klang tiefe Empörung. »Das geht meines Erachtens schon etwas zu weit. Wie können die Tuaregmänner so dumm und leichtgläubig sein, dass sie eine so unglaubliche Geschichte schlucken?«
»Es kann doch sein, dass sie das nicht wirklich glauben«, bemerkte Katharine. »Vielleicht gibt es nur nichts, was sie dagegen tun können. Ich meine, wenn all das, was du erzählt hast, auch wirklich so ist.«
10
Im Morgengrauen schlugen Lauri und seine Begleiterin ihr Lager in einem tiefen, von Wasser und Wind in die Sandsteinfelsen geschnittenen Cañon auf, dessen oberer Teil sich über ihnen zu einem Schirm wölbte, der sie vor der Sonne schützte und dem Blickfeld möglicher Aufklärungsflugzeuge entzog. Sie schliefen eine Weile. Nach dem Aufwachen tranken sie Wasser und aßen einen Teil ihres noch übrigen Proviants.
Leicht verlegen stellte Lauri plötzlich fest, dass sie sich noch gar nicht vorgestellt hatten. Das war ja nun wieder ziemlich finnisch, dachte er etwas betreten. Ein Wort am Vormittag und zwei gegen Abend, vor dem Schlafengehen.
»Ich heiße übrigens Lauri«, sagte er. »Lauri Nurmi.«
Die Frau sah ihn lächelnd an.
»Ich bin Khadidja. Also Khadidja, so wie die erste Frau des Propheten. Khadidja Ahmed.«
»Bist du mit Scheich Azhrawi verwandt?«
»Er ist gewissermaßen mein Vater«, bestätigte Khadidja. »Beziehungsweise mein Stiefvater.«
Khadidja erklärte die Sache nicht genauer, sondern zeigte auf Lauris blutigen Verband an seinem Arm.
»Wir sollten uns vielleicht einmal deine Wunde ansehen.«
»Da kann man ja doch nichts machen«, zierte sich Lauri. »Unter diesen Umständen.«
»Schauen wir trotzdem mal nach.«
Lauri streckte seinen Arm aus und ließ Khadidja die Knoten lösen, die den Verband zusammenhielten. Khadidja öffnete den Verband und betrachtete prüfend die Wunde. Darauf hatte sich eine dicke schwarze Schicht aus geronnenem Blut und Wundwasser gebildet, durch die weder Blut noch Gewebeflüssigkeit austrat. Khadidja tastete die Wundränder vorsichtig mit dem Finger ab. Die Haut war weder sehr stramm noch nenneswert angeschwollen, und sie fühlte sich auch nicht heiß an. Khadidja nickte zufrieden.
»Sie ist nicht entzündet, jedenfalls noch nicht«, sagte sie. »Wir sollten den Verband wohl nicht noch einmal öffnen. Wir müssen nur abwarten und sehen, was daraus wird.«
Khadidja wickelte die Binde zurück an ihren Platz. Lauri holte aus seinem Rucksack eine Tüte mit Datteln und bot Khadidja davon an. Dann nahm er selbst ein paar. Khadidja betrachtete Lauri nachdenklich und abschätzend.
»Na?«, fragte Lauri fordernd. »Was jetzt?«
»Hör mal, du Europäer, ich habe mich wohl ein bisschen in dich verguckt«, sagte Khadidja. »Ich würde sogar sagen, dass ich, wenn ich nicht so viel Respekt vor meinem Vater hätte, vielleicht bereit wäre, mit dir die von Allah gegebenen Gesetze über Mann und Frau zu brechen. Vielleicht.«
Lauri bekam ein Stück Dattel in den falschen Hals und fing an
Weitere Kostenlose Bücher