Gottes kleiner Finger - [Thriller]
habe.
»Schlechte Nachrichten«, sagte sie schließlich und reichte Lauri das Fernglas zurück.
Im grünen Licht des Nachtfernglases waren sofort mehrere hohe, hellgrüne Wirbel zu erkennen. Sie stiegen von schwarzen Klumpen auf, die die wie eine scharfe Wunde in das Sandmeer geschnittene Straße entlangkrochen. Lastwagen und Jeeps. Alle mit ausgeschaltetem Licht. Warum benutzten sie nicht die Scheinwerfer? Lauri suchte mit dem Fernglas den Horizont ab und sah weitere Lkws und Geländewagen.
»Na, so was«, ächzte er. »Die ganze Wüste wimmelt von Menschen.«
Lauri richtete das Fernglas in ostsüdöstliche Richtung und betrachtete die Landstraße. Noch mehr Autos. Einige standen still, andere waren in Bewegung und wirbelten Staub auf. Aber kein einziges Fahrzeug hatte die Scheinwerfer eingeschaltet.
Lauri dachte daran, wie das Gebiet auf der Landkarte aussah.
»Glaubst du, dass sie uns verfolgen?«, fragte er verwundert.
Die Frau zuckte mit den Schultern.
»Irgendetwas machen sie hier.«
»Aber ... Das hätte doch gar keinen Sinn!«, rief Lauri aus.
»Willst du das Risiko eingehen und herausfinden, was sie im Sinn haben?«, fragte die Frau brüsk.
Das wäre wohl keine gute Idee, dachte Lauri. Er musste zugeben, dass die Autos sich merkwürdig verhielten.
»Und wenn wir nördlich von der Oase Farafirah die Landstraße überqueren?«, schlug Lauri vor.
Die Frau schüttelte den Kopf.
»Sie würden unsere Spuren im Sand sehen. Jetzt ist es windstill, da werden die Spuren nicht verweht. Außerdem ist Wahat Farafirah ziemlich weit entfernt, und von dort ist es nach Wahat Siwah noch weiter. Wir haben nicht genug Wasser.«
»Das heißt, wir sitzen in der Klemme?«
Die Frau deutete nach Westen.
»Wir könnten umkehren und über das Erg zur Oase Kufra auf die libysche Seite gehen. Auch dahin ist es ein sehr weiter Weg, aber nicht so weit wie nach Wahat Siwah.«
»Wie weit?«
»Vielleicht vierhundert Kilometer in westlicher Richtung.«
Lauri stieß einen Pfiff aus.
»Das ist verdammt weit.«
»Na, eigentlich nicht. Ein Ritt von zwei Nächten. Wir haben gute Kamele.«
Ach ja, dachte Lauri, daran hätte ich denken sollen. Als die europäischen Kolonisatoren in die Sahara kamen, fiel es ihnen schwer zu verstehen, wie Informationen über verschiedene Dinge sich so schnell in der Wüste verbreiten konnten. Die Europäer waren mit ihren Durst leidenden Pferden langsam vorwärtsgekrochen und später mit ihren Lastautos und Jeeps ebenso qualvoll hierhin und dorthin geholpert. Aber wohin sie auch gekommen waren, alle hatten immer schon von ihrer Ankunft gewusst, oft schon Wochen vorher. Die Sahara hatte sich den Europäern als ein entsetzlich großes, uferloses und von tödlicher Hitze glühendes Sand- und Steinmeer gezeigt. Aber dank der Kamele war sie für die Ortsansässigen wie ein einziges großes Dorf gewesen.
»Und wenn uns das Wasser noch vor Kufra ausgeht?«, fragte Lauri.
»Dann sterben wir«, sagte die Frau lächelnd, und ihre weißen Zähne blitzten im Dunkeln. »Falls nicht jemand kommt und uns rettet. Zum Glück kommt in der Sahara immer jemand!«
Lauri betrachtete das durch die Dunkelheit schimmernde Gesicht der Frau und grinste insgeheim.
Die Annäherung an eine Frau bringt immer Probleme mit sich, im schlimmsten Fall eine Geschlechtskrankheit, eine Ehe oder Kinder, dachte er sarkastisch. Er hatte jedoch noch niemals eine Frau getroffen, bei der das mit größerer Wahrscheinlichkeit zu so komplizierten und vollkommen unvorhersehbaren Schwierigkeiten geführt hätte, wie sie jetzt zu erwarten waren.
9
Katharine sah zu, wie Reino Keskitalo den Vergaser eines alten Benzinmotorrads auseinandernahm. Am Fußboden des Lagerraums lag eine bunte Sammlung verschiedener Teile des Motorrads, von denen Katharine die meisten nicht kannte. Sie hätte die kleinen Teile niemals zurück an ihre Stelle setzen und aus ihnen ein funktionierendes Ganzes schaffen können. Auf Keskitalos Gesicht lag ein beschützender Ausdruck. Er berührte die Teile der Maschine sanft und liebevoll. Diese Seite der Männer habe ich niemals verstanden und werde sie wohl auch niemals verstehen, dachte Katharine.
»Solltest du nicht ein Experte für Elektroautos sein?«, fragte sie Keskitalo.
Der nickte und lächelte Katharine zu. In seinem Lächeln lag ein überraschendes Maß an Herzlichkeit.
»Ich glaube, denen gehört die Zukunft. Aber es wird noch dauern, bevor jemand zu den Elektroautos ein ähnlich gefühlsbetontes
Weitere Kostenlose Bücher