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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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keine? Nein, wir bezahlen das Haus ab, regelmäßig, fragen Sie unsere Bank! Ich bitte Sie, Herr Kommissar, wir sind seit siebenundzwanzig Jahren verheiratet, glücklich verheiratet! Na ja, Sie wissen doch, Reibereien gibts schon mal, wenn er Fußball schauen will und ich die Serie, das kommt doch in jeder Familie vor, nein, mein Mann und eine Liebhaberin? Das schafft der doch gar nicht, haha… Sie schwindelten und bosselten an einem Gebilde herum, das aus purer Einbildung bestand. Süden arbeitete seit zwölf Jahren auf der Vermisstenstelle, aber einen Fall, bei dem die Leute vom ersten Moment an mit offenen Karten spielten, hatte er noch nicht erlebt.
    »Ich möchte den Wortlaut des Gesprächs mit Ihrer Tochter notieren«, sagte er.
    »Den Wortlaut!« De Vries zog das rechte Bein nach und stand jetzt, einen Kopf größer, vor dem Kommissar. »Sie hat gesagt, es geht ihr gut, sie kommt nicht mehr zurück, und wir sollen sie nicht suchen.«
    »Das haben Sie Herrn Funkel verschwiegen.«
    »Es ist überflüssig, sie weiß, dass ich sie suchen lasse und auch selber suche. Nicht wahr?« Er sah auf seine Frau hinunter. Sie hielt den Kopf gesenkt.
    »Wo suchen Sie sie?«, fragte Süden.
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Und was haben Sie zu ihr am Telefon gesagt?«
    »Nichts, ich bin nicht dazu gekommen, sie hat vorher aufgelegt.«
    Es klingelte an der Wohnungstür.
    Süden fragte: »Hat sie von einem Handy aus angerufen?«
    »Ich glaube schon.«
    »Sie hat ein Handy dabei?«
    »Natürlich. Ich habe ihr eines zum Geburtstag geschenkt. Entschuldigen Sie mich.« Er verließ das Zimmer. Süden steckte den Block und den Kugelschreiber ein.
    »Möchten Sie, dass wir uns woanders treffen?« Er wartete, bis Margit de Vries ihn ansah. »Außerhalb der Wohnung. In einem Café?«
    Sie antwortete nicht. Zumindest schaute sie nicht wieder weg. Und dann sagte sie plötzlich: »Was ist?«
    Er hatte seine Reaktion nicht verbergen können. Die Stimme, die von der Tür zu ihm drang, hörte sich an wie die einer Frau, die ihn durch seinen finstersten Fall begleitet hatte, verurteilt zuzusehen wie er, machtlos gegen die Wucht der Ereignisse wie er.
    Er sagte: »Müssen Sie nicht einkaufen gehen?«
    »Bitte?«, sagte Margit de Vries.
    »Erklären Sie ihm, Sie wollen etwas besorgen. Ich warte auf der Straße auf Sie. Was Sie mir sagen, bleibt unter uns, niemand erfährt davon, wenn Sie möchten, nicht einmal meine Kollegen.«
    »Guten Tag, Herr Süden.«
    Die Stimme gehörte tatsächlich der Frau, die er hier als Letztes erwartet hatte. Nicht nur, weil er niemals damit gerechnet hatte, ausgerechnet in dieser Wohnung jene dunkelhäutigen Gesichter aus der Erinnerung aufsteigen zu sehen wie aus einem verfluchten Sumpf, in dem seine Schuld und sein Versagen wucherten.
    Zudem hatte er nicht gedacht, wie ernst es Wolf de Vries mit seiner Ankündigung war.
    »Das ist Frau Sorek«, sagte de Vries. »Sie kennen sie wahrscheinlich, sie macht das bekannte Magazin ›Vor Ort‹ und wird einen Bericht über meine Tochter bringen und uns bei der Suche helfen.«
    »Hallo«, sagte Süden.
    Seit damals waren sie sich nicht mehr begegnet. Sie hatte ihn mehrere Male angerufen, aber er hatte das Gespräch jedes Mal sofort beendet.
    »Warten Sie noch, bevor Sie an die Öffentlichkeit gehen!«, sagte er zu de Vries.
    »Schreiben Sie mir bitte nicht vor, was ich zu tun habe. Machen Sie Ihre Arbeit, ich kann die Presse informieren, wann ich will. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.«
    Süden sagte: »Das eine hat mit dem anderen sehr viel zu tun.«
    »Würden Sie uns jetzt bitte allein lassen«, sagte de Vries.
    »Sind Sie einverstanden, dass Sie gefilmt werden?«, fragte Süden Frau de Vries. Sie antwortete nicht.
    »Sie wird nicht gefilmt«, sagte ihr Mann. »Ich gebe das Interview. Auf Wiedersehen.«
    An der Tür fragte Süden: »Hat Ihre Tochter Geld gespart?«
    »Wie denn?«
    »Sie hatte einen Aushilfsjob.«
    »Nicht mehr, sie hat keine Zeit, sie muss für die Schule lernen, sie macht bald Abitur, haben Sie das vergessen?«
    »Ich habe es nicht vergessen«, sagte Süden. Er ging die Treppe hinunter und ließ seine Hand über den roten Plastiklauf gleiten wie früher als Junge, bis es quietschte und wehtat.
    Kaum hatte de Vries die Wohnungstür geschlossen, wurde sie erneut geöffnet, und Süden hörte die Stimme der Reporterin.
    »Warten Sie!«
    Er ging hinaus in den Hinterhof, atmete mit offenem Mund, wischte sich übers Gesicht und machte sich auf

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