Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
Halberstett.
    »Wir wissen immer mehr als das, was wir niederschreiben, damit ein Richter später daraus ein Urteil ableiten kann«, sagte Süden. »Wir wissen etwas über die Leute, was wir niemals hinschreiben, weil kein Richter damit was anfangen kann, weil es niemanden interessiert, nicht mal die Leute selber. Wenn es uns gelänge, bloß unseren Job zu machen, die Täter zu stellen, die Fakten aufzulisten, die Protokolle zu unterschreiben und das alles an die Staatsanwaltschaft zu schicken, wären wir ausgeglichen und zufrieden, und jeder Fall wäre wie der andere, die Fakten ähneln sich wie die Leute, Täter, Opfer, immer dieselbe Prozedur. Wir haken nur noch ab, und am Ende gehen wir in Pension, Lob und Anerkennung dem pflichtbewussten und pünktlichen Beamten, Asche zu Asche.«
    Halberstett fragte sich, ob er Südens Dienstausweis überprüfen sollte.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Süden und trank. »Möchten Sie nicht doch etwas zu dem Fall sagen?«

15
    E s gibt nichts zu sagen«, sagte Halberstett. »Sie sind hierher gekommen, um Erkundigungen über das Mädchen einzuziehen, und dabei werd ich Sie unterstützen, das ist selbstverständlich. Alles andere ist unsere Sache. Ich bitte Sie, das zu akzeptieren und unsere Arbeit zu respektieren.«
    Süden winkte der Bedienung. Dann legte er die orangefarbene Mappe auf den Tisch und blätterte darin. Nachdem er ein Kännchen Kaffee bestellt hatte, während Halberstett unschlüssig mit dem Bierglas auf den Tisch klopfte, legte er die Hände auf einer Seite der Akte übereinander.
    »Damals ist ein Vietnamese gestorben«, sagte Süden.
    »Er ist aus dem Fenster gesprungen, und es gab den Verdacht, dass er gestoßen wurde… von Thorwald Gottow, genannt Juri… Sie haben gegen ihn ermittelt, Sie haben auch Rico Keel und Annalena Prinz vernommen, über mehrere Wochen hin, Sie konnten ihnen nichts nachweisen, vor allem, weil Annalena von einem bestimmten Zeitpunkt an die Aussage verweigert hat, sie deckte ganz offensichtlich ihren Freund…«
    »Sie waren alle fast noch Kinder, Kollege!«, sagte Halberstett und schob das Bierglas von sich weg. »Wir haben sie vernommen, weil der Druck von außen so stark war, sie hatten mit dem Tod des Mannes nichts zu tun.«
    »Warum lügen Sie sich an?«
    Halberstett verkniff sich die Entgegnung, da die Bedienung den Kaffee brachte.
    »Bitte, Herr Kommissar, darf ich fragen, wie Sie heißen?
    Ich bin neugierig, entschuldigen Sie.«
    »Tabor Süden.«
    »Süden«, sagte die junge Frau und nickte Halberstett zu.
    »Da haben Sie ja den richtigen Namen für dort, wo Sie herkommen.« Wieder lächelte sie, etwas unbeholfen, aber Süden sah lange hin. »Noch eins für Sie, Herr Halberstett?«
    »Nein.«
    »Auch einen Kaffee?«
    »Später.« Halberstett starrte auf den Tisch.
    Die Bedienung schob ihre Brille zurecht und ging.
    »Ich lüge nicht«, sagte Halberstett und dämpfte seine Stimme, um die Gäste an den Nebentischen, die immer wieder hersahen, nicht an dem teilhaben zu lassen, was er dem Westkollegen ein für alle Mal klar machen musste.
    »Wir sprechen hier von Jugendlichen, Kollege Süden, wir sprechen von einer anderen Zeit. Und jetzt hören Sie bitte zu, diese Geschichte damals, die hat uns alle belastet, jeden in der Stadt, ob er wollte oder nicht, ob er mit den Glatzköpfen sympathisierte oder nicht. Und ich, damit Sie mich nicht missverstehen, ich sympathisiere nicht mit denen, damals nicht und heute nicht. Ich sympathisiere mit niemandem, dafür habe ich keine Zeit, wenn ich im Dienst bin. Und wenn es nach uns gegangen wäre, damals vor dem brennenden Haus, dann hätten wir den Mob in der ersten Nacht platt gemacht. Glauben Sie im Ernst, wir hätten uns das gefallen lassen?
    Diese Leute haben Steine nach uns geworfen, ich dachte, es regnet Steine vom Himmel, so war die Situation, und wir mittendrinne. Noch am Tag vorher gingen wir rein und holten die Besoffenen raus und brachten sie weg, Sie können sich nicht vorstellen, was da los war, wie die gesoffen haben, die Glatzen.
    Da sind wir rein, und fertig. Aber am nächsten und übernächsten Tag war alles anders, da hatten wir unsere Befehle, und die Befehle lauteten: Abwarten. Abwarten. Angeblich sollten die Kollegen vom Grenzschutz kommen, mit Hubschraubern und Wasserwerfern, wir sollten die Lage nur sichern. Die Typen holten sich Schottersteine von den S-Bahn-Gleisen und bewarfen uns damit. Und wir durften nichts tun. Wenn es nach mir gegangen wär, das sag ich Ihnen ganz

Weitere Kostenlose Bücher