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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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hätte sich selbst in diese Situation gebracht, ich habe nie gesagt, er hätte rechtzeitig das Haus verlassen müssen wie seine Landsleute. Ich sage so etwas nicht, weil es nicht meine Überzeugung ist. Meine Überzeugung ist, er hatte Angst und wusste nicht, dass es harmlose junge Leute waren, die an der Tür klopften, er hatte die Tür verriegelt, das wurde eindeutig bewiesen. Die anderen haben die Tür erst eingetreten, als sie das Splittern des Glases und Schreie von unten hörten. Das Ganze passierte im ersten Stock. Deshalb hätte er den Sturz auch überlebt, vermutlich. Die Anschuldigungen bestimmter Leute, die Jugendlichen hätten ihn aus dem Fenster geworfen, sie hätten ihn gepackt und ihn vorher so schwer verletzt, dass er schon mehr oder weniger halb tot war, als er unten aufschlug, hielten keiner genauen Überprüfung stand. Und wir haben alles überprüft, immer wieder, wir haben die Familien über Monate hinweg verhört. Bei Ricos Mutter gingen meine Kollegen praktisch ein und aus, ebenso bei Juri, gegen den sich einige Verdachtsmomente ergaben, weshalb er in Untersuchungshaft kam. Steht alles in den Akten, Sie werden darin widersprüchliche Aussagen finden, das ist klar! Die Leute hatten massiv getrunken. Was gegen Juri sprach, war, dass er schon mehrmals wegen Körperverletzung auffällig geworden war, er war auch schon mal nach dem Jugendstrafrecht auf Bewährung verurteilt worden. Und er war so etwas wie der Anführer. Behaupteten einige Zeugen. Seine Freundin sagte aus, sie seien alle gemeinsam rein ins Haus und hätten hier und da eine Gardine angezündet. Das hört sich schlimmer an, als es ist. Sie gingen davon aus, dass sie allein in den Wohnungen waren, jeder auf der Straße hatte mitbekommen, dass die Vietnamesen, die normalerweise als Gastarbeiter dort wohnten, das Gebäude verlassen hatten, und zwar alle. Sie waren in Bussen weggebracht worden. Genau wie einen Tag vorher die Rumänen. Alle waren weg, die Leute hatten immer noch eine Wut, das muss man verstehen. Die lebten dort friedlich und plötzlich sehen sie nur noch fremde Gesichter, Leute, die auf den Wiesen urinieren, die Tauben grillen, das weiß ich aus erster Hand, die im Supermarkt klauen. Was wollen Sie tun, wenn Sie so eine junge Rumänin erwischen, die auf ihren Asylantrag wartet? Einsperren? Sie wird sowieso abgeschoben. So ist es dann ja auch passiert. Die wurden alle abgeschoben, nicht zurück in ihre Heimat, in ein anderes Bundesland, wo mehr Platz ist als bei uns.
    Was ich sagen will, ist, und ich bitte Sie, das bei Ihren Ermittlungen hier bei uns nicht zu vergessen, diese junge Menschen sind da mit reingeraten, eine schlimme Sache, ich beschönige nichts, sie waren dabei und sie mussten zur Verantwortung gezogen werden. Und wir haben sie zur Verantwortung gezogen, wir haben sie verhört und wieder verhört und immer weiter verhört, Sie sehen ja, wie viele Seiten Protokoll sich angesammelt haben. Und das Ergebnis unserer Untersuchungen war: Der junge Vietnamese ist aus dem Fenster gesprungen, und zwar ohne Beteiligung von Dritten. Rico, Juri, seine Freundin und die anderen Jugendlichen wurden auf freien Fuß gesetzt, der Verdacht auf gemeinschaftlich begangenen Mord ließ sich nicht aufrechterhalten. Der Haftrichter hatte keine andere Wahl, als Juri freizulassen.
    Das sind die Fakten, Kollege Süden, und das ist meine persönliche Einschätzung. Das ist das, was früher passiert ist, jetzt geht es um etwas anderes, nämlich um ein tragisches Ereignis auf einem Schiff. Um eine junge Frau, die sich in der Toilette eingeschlossen hatte und im Feuer zu Tode gekommen ist. Und es geht um ein Mädchen aus Ihrer Stadt, die mit Rico befreundet ist oder war und jetzt verschwunden ist. Bei der Suche nach ihr will ich Ihnen, soweit ich das kann, helfen, auch logistisch.
    Ich wollte Sie mit meinen Ausführungen nicht belehren, Kollege, ich wollte nur die Dinge klarstellen, damit Sie sich nicht wundern, wenn Sie bei Kollegen auf Reaktionen stoßen, die Sie sich nicht erklären können. Das ist nie persönlich gemeint.«
    Süden sagte: »Haben die Leute damals nicht gebrüllt:
    ›Deutschland den Deutschen!‹ Und: ›Ausländer raus!‹ Auch die jungen Leute?«
    »Ich bitte Sie«, sagte Halberstett, »wes politischen Geistes jemand ist, des darf man ihn nicht gleich einsperren!«
    Süden trank noch einen zweiten Kaffee. Halberstett bestellte die Rechnung.
    »Wie lange haben Sie vor, in der Stadt zu bleiben?«
    »Bis ich das Mädchen

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