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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Worte auszutauschen, also sollten sie diese Gabe auch nutzen, genauso wie Vögel ihre Flügel und Fische ihre Flossen nutzten. Menschen, die viel schwiegen, misstraute Halberstett, es war wie ein Reflex. Er glaubte dann, sie würden etwas aushecken.
    »Sie sind wegen etwas anderem gekommen«, sagte er. Süden sagte: »Wäre es Ihnen lieber, wir treffen uns morgen?«
    »Morgen hab ich keinen Dienst.«
    »Ich möchte Sie nicht aufhalten. Leihen Sie mir die Akten über Nacht, ich bringe sie morgen früh zurück. Und wenn ich noch Fragen habe, rufe ich Sie am Montag im Dienst an.« Er sagte es mit gleichmäßiger Stimme, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, ohne jede Betonung.
    »Ich bitte Sie«, sagte Halberstett.
    Dann schwieg auch er. Dieses Schweigen stürzte wie ein unhörbarer Wortschwall aus ihm heraus. Verblüfft schüttelte er den Kopf.
    »Was ist?«, fragte Süden.
    Halberstett betrachtete das Glas, aus dem Süden noch keinen Schluck getrunken hatte. »Was halten Sie davon, wenn wir woanders ein Bier trinken? Ich nehm die Akten mit.«
    »Können Sie mir ein Hotel empfehlen?«
    »Nein«, sagte Halberstett. »Ich ruf meine Frau an, die kennt sich da aus. Die hat eine Freundin, die arbeitet in der Branche.«
    Vor der Tür waren Schritte zu hören. Dann ging die Tür auf, und ein Rottweiler präsentierte seine Zähne. Sein Name war Varus und sein Mundgeruch teutonisch. Süden ging in die Hocke, und Varus blies ihm seinen Atem ins Gesicht, während ihm der Sabber aus dem Maul tropfte.
    »Der tut nichts«, sagte der uniformierte Polizist, der sich mit dem Namen Kellerfink vorgestellt hatte.
    »Natürlich nicht«, sagte Süden. Der Hund keuchte ihn an, als habe er seinen Atem gerade zum Geburtstag geschenkt bekommen und probiere ihn freudestrahlend aus.
    »Danke, Ingrid«, sagte Halberstett und legte den Telefonhörer auf. »Gute Idee, die ›Sonne‹, ist nicht billig, aber Sie sollen unsere Bekannte erwähnen, dann bekommen Sie Ermäßigung.«
    »Danke«, sagte Süden.
    »Morgen fahren wir ans Meer«, sagte Kellerfink. »Da kann er sich austoben.«
    Süden erhob sich, und Varus musste niesen.
    »Wir können zu Fuß zum Hotel gehen, ist nicht weit«, sagte Halberstett.
    »Tragische Sache«, sagte Kellerfink auf dem Weg zur Treppe. Varus wachte haarscharf über Südens Schritte.
    »Da hat einer was ganz Dummes gemacht, und leider ist jemand dabei zu Tode gekommen. Möglicherweise ist das Mädchen aus dem Westen eine Zeugin. Und der junge Mann, den sie zusammengeschlagen haben.«
    »Welcher junge Mann?«, fragte Süden.
    »Rico Keel«, sagte Halberstett. »Er sagt nicht, wers getan hat, er sagt, er ist in der Nacht überfallen worden. Er erstattet keine Anzeige, was sollen wir machen?«
    »Wir müssen das Mädchen finden«, sagte Kellerfink.
    »Die war ja schon mal spurlos verschwunden«, sagte Halberstett.
    »Wann?«, fragte Süden.
    »Weihnachten, als sie mit ihren Eltern hier war. Ihr Vater hat uns benachrichtigt, wir hatten aber keine Anhaltspunkte, er auch nicht. Sie war weg, und dann tauchte sie wieder auf, wir wissen nicht, wo sie gesteckt hat, angeblich wusste ihr Vater auch nicht, wo sie war. Und jetzt wieder.«
    Vor dem sechsstöckigen Gebäude verabschiedeten sie sich, und Süden machte sich mit Halberstett auf den Weg zum Hotel. Aus unerfindlichen Gründen schickte Varus Süden ein Bellen hinterher.
    »Warum haben Sie uns nicht früher benachrichtigt?«, fragte Süden in der »Alten Apotheke«, wo sie Bier tranken und grünen Hering mit Bratkartoffeln aßen. Das Lokal befand sich im Keller des Hotels »Sonne«, in dem Süden ein Zimmer für fünfundachtzig Euro die Nacht bekommen hatte. Das Zimmer hatte ein Doppelbett und Möbel aus poliertem Holz und kostete, wie Süden auf einem Schild an der Schranktür las, normalerweise zweihundertzehn Euro. Für Gäste, die nicht im Restaurant speisen wollten, gab es die Kneipe im Keller und für diejenigen, die Erholung brauchten, eine Sauna, ein Solarium und ein Dampfbad, vielleicht mit Anisaufgüssen, dachte Süden, stimmungsaufhellend, angstlösend.
    »Wir sind nicht auf die Idee gekommen, einen Abgleich zu machen«, sagte Halberstett. »Das war eine Panne, für die ich mich entschuldige.«
    »Noch zwei?«, fragte die Bedienung.
    »Unbedingt«, sagte Süden.
    »Ich muss aufpassen«, sagte Halberstett. »Ich muss noch fahren.«
    »Sie sind doch bei der Polizei«, sagte die Bedienung, »Sie können sich doch nicht selber rauswinken!« Sie lachte

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