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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Mannschaft. Wir machen auch Demonstrationen und sind in Fußballstadien. Wenn wir auftauchen, hauen die Hools ab, das ist keine Übertreibung. Wir haben dann natürlich andere Uniformen an, das wissen Sie ja, meine steckt da unten im Rucksack, alles bereit, wir können in zehn Minuten rausrücken, wenns sein muss… Wir waren auch dabei, als es hier gebrannt hat, darüber sprechen wir noch. Vielleicht hat unsere Sache was damit zu tun, ich bin mir noch nicht sicher. Ich war jedenfalls vor Ort, und das war mit das Schlimmste, was ich je erlebt hab. Dazu das totale Versagen der Politik, totales Versagen… Und das ist auch in der Verwaltung so, die lassen uns allein. Seit ich hier bin, hab ich drei Strukturreformen erlebt, und das Personal ist immer weniger geworden und die Bezahlung nicht besser. Meine Frau ist arbeitslos, wir kommen gerade so über die Runden. Ich will mich nicht beklagen, aber Sie in Bayern sind natürlich viel besser dran. Wir machen dieselbe Arbeit, Sie und Ihre Kollegen und ich und meine Kollegen, aber wir hier kriegen zehn Prozent weniger Gehalt, immer noch, und das wird sich auch nicht ändern. Manchmal denk ich, die Zustände sind wie bei der NVA, wir haben neue Uniformen und ein paar neue Waffen, das ist alles. Ansonsten leben wir immer noch in der Vergangenheit. Entschuldigen Sie, Kollege…«
    »Ich bin zum ersten Mal in Ostdeutschland«, sagte Süden. »Als Jugendlicher war ich mit der Schulklasse einmal in Ostberlin, danach nie wieder. Ich komme nicht raus.«
    »Sie waren doch in Afrika«, sagte Halberstett. »Als ich Sie vorhin sah, hab ich Sie wiedererkannt, Sie haben das schwarze Mädchen begleitet, mit ihrem Vater.«
    »Ich habe sie begleitet«, sagte Süden, »aber ich konnte ihr nicht helfen.«
    »Damit müssen wir uns abfinden«, sagte Halberstett.
    »Wir tun unsere Pflicht, wir riskieren unser Leben, und dann können wir doch nichts bewirken. Wir erfüllen unseren Auftrag, mehr ist oft nicht drin.«
    Süden lehnte an der Wand und schwieg. Halberstett sah ihn von der Seite an, trank einen Schluck Saft und schlug die grüne Mappe auf.
    »Waren Sie mal in Westdeutschland?«, fragte Süden. Irritiert klappte Halberstett die Akte zu.
    »Einmal!«
    Er überlegte, was sein Kollege mit der Frage bezweckte.
    Zudem dachte er plötzlich, er habe ihn womöglich mit seinem Gerede überfallen und sich als Jammerer entlarvt. Er hatte Vertrauen zu diesem Kollegen gefasst, der ihm nicht vorkam wie einer, der alles besser wusste und sich erst einmal jovial gab, bevor er anfing, seine Überheblichkeit auszuspielen. So wie jener Kollege vom LKA Nordrhein-Westfalen, der bei den Ermittlungen in einer landesübergreifenden Mordsache nach einem halben Tag seinen eigenen Laptop aus Wiesbaden anforderte, weil die hiesigen Computer seiner Meinung nach zu langsam arbeiteten.
    Vielleicht aber täuschte er sich in diesem Süden, vielleicht sprach der nicht deshalb so wenig, weil er neugierig war, sondern weil er sich langweilte und nur darauf wartete, endlich zur Sache zu kommen, um möglichst rasch aus dieser Bruchbude zu verschwinden. Dass er jetzt fast ein schlechtes Gewissen bekam, ärgerte Halberstett. Weder hatte er einen Grund sich zu schämen, noch wollte er sich von einem gleichrangigen Kollegen, nur weil dieser aus dem Westen kam, in die Defensive drängen lassen. Immerhin machte er, Halberstett, gerade Überstunden, und zwar wegen ihm, um ihm Akteneinsicht zu gewähren, und zwar an einem Samstagabend, er hätte ihn auch bis zum Montag warten lassen können. Er hatte nur entgegenkommend sein wollen, denn trotz aller negativen Erfahrungen zählte unbürokratische Amtshilfe in Halberstetts Augen immer noch etwas, gerade in Zeiten, in denen die Polizei von innen und außen unter Druck stand. Außerdem mochte er Bayern. Aber das zählte nicht.
    »Wo?«, fragte Süden.
    »In Burghausen«, sagte Henry Halberstett. »Auf Einladung des Lions Clubs, die haben fünf Kollegen aus den neuen Ländern eingeladen, zum Ausspannen, das machen die wohl öfter.«
    »Hat es Ihnen gefallen?«
    »Wundervolle Landschaft. Sie haben eine Idylle vor der Haustür, das ist beneidenswert. Ich wollte immer mal mit meiner Frau hinfahren, hat sich bislang nicht ergeben. Tolle Gegend da unten.«
    Das Schweigen, das folgte, mochte Halberstett nicht. Für Schweigen hatte er nichts übrig, nach seiner Überzeugung war Schweigen in erster Linie ein Beweis für Mundfaulheit, manchmal für Arroganz. Menschen hatten die einmalige Gabe

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