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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Bungalows nannte, war ihr Versteck, ihrer beider Versteck. Sie hatte sich überreden lassen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie die beiden Kerle angezeigt, und sie wären verurteilt worden. Aber Rico hatte es ihr verboten. Und sie wollte ihm nicht widersprechen. Er traf die Entscheidungen, und sie war einverstanden. Was er tat, akzeptierte sie.
    Sie fand es nicht ungemütlich in der Hütte, es gab einen Kühlschrank, eine Dusche, einen Extraraum mit zwei Betten und einem Schrank, vier Fenster und eine Heizung, die funktionierte. Nur im Schlafzimmer war es eiskalt. Die Matratzen und die Kissen waren mit blauem Frottee überzogen, das am ganzen Körper kratzte, weshalb sie nachts ein langes Sweatshirt anziehen musste. Dummerweise hatte sie eines bei Ricos Mutter vergessen. Sie hoffte, Rico würde es mitbringen. Jetzt war er schon zwei Stunden fort, er hatte versprochen, nur rasch eine Decke zu holen. Das war auch wieder etwas, das er sich in den Kopf gesetzt hatte. Sie hatte ihm gesagt, es eile nicht, aber er fürchtete, sie könne sich erkälten. Er sorgte für sie. Manchmal, wenn er neben ihr saß, eingezwängt zwischen Tisch und Bank, legte er seine Hand auf ihren Bauch. Dann sagten sie beide eine Zeit lang nichts. Und sie wusste, er überlegte, welcher Schritt der richtige war. Wenn er sie ansah, die Hand auf ihrem Bauch, und nichts sagte, dann vermutete sie, er würde sie überreden wollen, die Abtreibung sein zu lassen.
    »Wir haben noch Zeit«, hatte sie heute Morgen zu ihm gesagt. Die halbe Nacht hatten sie wach gelegen und sich gelegentlich Worte zugeflüstert. »Wir haben noch Zeit.«
    Jetzt fragte sie sich, warum sie ihn anlog. Ihr Entschluss stand fest. In ihr Tagebuch hatte sie geschrieben: Mein Bauch ist keine Welt für einen Menschen, in meinem Bauch sind nur der Hunger zu Haus und der Durst und ein Kribbeln, wenn ich Ricos Hand halte. Zu zweit haben wir, wenn wir wollen, eine Chance, zu dritt haben wir keine, niemand steht uns bei, und wir selbst werden uns nicht genügen. Ich darf ihn nicht mehr belügen.
    Sie schob sich aus der Bank und zog vorsichtig den Vorhang beiseite. Sie sah Latschen und Schilfbüschel, dürre Sträucher und Bäume auf matschiger Erde, verlassene Holzbänke, schwarze Laternen. Wahrscheinlich war die Anlage im Sommer romantisch, mit den Tümpeln, der Kinderschaukel, den Kieswegen, Sonnenschirmen, Topfpflanzen, Blumen, eine Idylle zwischen Plattenbauten am Rand einer Schnellstraße. Auf einmal fühlte sie sich geborgen. Sie störte sich nicht länger an den braunen Bodenfliesen, an der abgestandenen Luft, an den Rissen in den dünnen Wänden, an der Trostlosigkeit der Einrichtung und dem rauen Bett.
    Sobald Rico zurückkehrte, würde sie ihn vielleicht verführen. Zuerst würde sie testen, ob er bereit dazu war, und wenn er es war, würde sie seine Hand über ihren Körper steuern wie auf dem Schiff, wo es eng und kühl war und sie vor Angst, entdeckt zu werden, hundert Tode gestorben und gleichzeitig unsterblich waren.
    »Woran denken Sie?«, fragte Süden.
    »Das geht Sie nichts an«, sagte Rico. Auf den Überfall der Bilder war er nicht vorbereitet gewesen. Er hatte nicht einmal besonders innig an Julika gedacht, obwohl der Polizist nach ihr gefragt hatte. Er hatte versucht, dessen Sätze zu begreifen und herauszufinden, welcher Trick dahinter steckte. Und dann, mitten im Zuhören, war er plötzlich auf der »Independia«, unter Deck, nicht erst auf Deck, sondern sofort unter Deck, in der Kajüte, wohin sie getaumelt waren. Er konnte sich nicht mehr erinnern, was sie zu dem jungen Kapitän und seiner Frau gesagt und wieso die beiden sie nach unten gelassen hatten. Er sah, wie Julika ihn auszog, sie zog ihn einfach aus, als müsse sie das tun und er müsse es zulassen. Dann zog sie sich selbst aus. Das alles sah er wie in neuer Beleuchtung, als wäre die Szene nachkoloriert worden, er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Er hörte diesem Polizisten zu und war mit Julika in der Koje, die viel zu schmal war, und dauernd schepperte irgendetwas. Und er dachte, jeden Moment könne der Kapitän kommen und die Polizei mitbringen. Aber da lag er schon auf Julika. Und etwas geschah. Nichts anderes als das, was er kannte. Er hatte mit Rosa geschlafen, mit zwei anderen Mädchen, er wusste, wie es ging. Und Julika hielt ihn an der Schulter fest. Und er hörte, wie sie sagte, du musst vorsichtig sein, das hörte er, obwohl dieser Polizist die ganze Zeit weiterredete, du musst

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