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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Pullover vom Leib und ließ sich gegen die Wand fallen. Die dünne Verschalung erzitterte.
    Dann hielt sie inne, als nehme sie innerlich Anlauf. Und rannte gegen die Abdeckplatte der Anrichte, deren Kante genau auf der Höhe ihres Bauches war. Und sie schrie. Und Rico stand an derselben Stelle wie vorher und hörte und sah ihr zu.
    »Soll ich glauben, der körperlose Tod entbrenn in Liebe, in Liebe…!«, schrie sie.
    »Hör auf!«, rief Rico. Aber es war, als würde sich seine magere Stimme unter ihrem Schreien ducken.
    »Und der verhasste hagre Unhold halte als seine Buhle hier im Dunkeln dich!« Sie boxte ihn zur Seite und schlug ihre Stirn gegen die Klapptür, hinter der die Heizungsrohre verliefen. »Aus Furcht davor will ich dich nie verlassen und will aus diesem Palast dichter Nacht nie wieder weichen…«
    Er hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Sie rammte ihren Bauch gegen die Tischkante, wieder und wieder. Und er streckte, lächerlich, die Hand nach ihr aus.
    »Hier, hier, hier…!«, schrie sie und ließ sich auf den Boden fallen. Rico starrte sie an. Alles, wozu er fähig war, war zu starren. Starr zu starren. »Hier will ich bleiben, hier mit Würmern, so dir Dienerinnen sind.«
    So dir Dienerinnen sind, Dienerinnen sind, hallte es in seinem Kopf. Vielleicht hallte es auch im Zimmer, das finster und stickig wurde, wie eine Gruft. »O hier, hier, hier bau ich die ewge Ruhstatt mir…« Vor seinen Füßen rollte sie über das schmutzige Linoleum, schlug ihren Rücken gegen Kanten, den Hinterkopf gegen die Milchglasscheibe der Tür. Dann richtete sie sich auf. »Und schüttle von dem lebensmüden Leibe das Joch feindseliger Gestirne…«
    Rico machte einen Schritt auf sie zu. Sie trat mit den Stiefeln nach ihm. Und ihre Stimme klang noch lauter als zuvor. »Augen, blickt euer Letztes! Arme, nehmt die letzte Umarmung!«
    Sie schlang die Arme um ihren halb nackten Körper. Das ist kein Umarmen, dachte Rico, das ist ein Ersticken.
    »Und o Lippen, ihr, die Tore des Odems, siegelt mit rechtmäßgem Kusse den ewigen Vertrag dem Wuchrer Tod…«
    Sie sprang auf. Vor Schreck wich Rico zurück. Doch dann wollte er nicht länger zusehen. Ein solcher Zorn überwältigte ihn, dass er Julikas Kopf packte und festhielt und so fest drückte, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Und doch kamen weiter Worte aus ihrem Mund, Worte voller Spucke und Abscheu. »Komm, bittrer Führer! Widriger Gefährt! Verzweifelter Pilot! Nun treib auf einmal dein sturmerkranktes Schiff in Felsenbrandung!«
    Ihren Kopf zwischen den Händen, zog er sie zu sich her, bis ihrer beider Atem sich zu einem brodelnden Schweigen vermengte.
    Er sah Tränen über ihre geröteten Wangen rinnen, und ihre Augen waren nicht mehr blau. Da war ein Grau, wie auch auf ihrer Haut. Die Macht seiner Hände gab ihm eine Sicherheit, die er nicht kannte, jetzt war er der Stärkere, an ihm lag es zu handeln, an ihm allein. Und er tat es. Er zog ihren Kopf noch ein winziges Stück näher, und seine Finger krallten sich in ihre Haare. Und dann schleuderte er Julika gegen die Tür des Schlafraums. Das Schloss sprang auf, und Julika glitt an der sich öffnenden Tür entlang und schlug auf der Bettkante auf.
    Sie landete auf dem Boden vor dem Schrank aus Sperrholz und bewegte sich nicht mehr. Wie Rico. Er hielt die Arme weiter in die Höhe. Von draußen hörte er das Ploppen der Tropfen. Er schwitzte. Den Reißverschluss seiner Jeansjacke hatte er bis zum Hals zugezogen.
    Julikas nackter Rücken stach hell aus dem unbeleuchteten Raum. Rico ging zu ihr. Vorsichtig, mit kurzen Schritten, als rechne er damit, sie würde aufspringen und ihn anfallen und töten. Er kniete sich neben sie.
    »Julika?«, sagte er.
    Ihr Kopf lag schräg unter ihrem Arm.
    »Hörst du mich?«
    Und er hörte: »Warum wirfst du mich weg?« Ihm fiel keine Antwort ein.
    »Warum glaubst du mir nicht?«
    Er beugte sich zu ihr hinunter. »Ich hab nicht…«, sagte er.
    »Warum wirfst du mich weg?«, hörte er sie wieder sagen. Er stand auf, kratzte sich in den Haaren, die ihm vom Kopf abstanden, wandte sich um und sagte, mit dem Rücken zu Julika:
    »Ich muss jetzt gehen, sonst erstick ich.«
    In dem Moment, als er von außen die Tür schloss, richtete Julika sich auf.
    Taub vor Schmerzen, die Hände auf den Bauch gepresst, kniete sie neben dem Bett und blickte zur Tür.
    »All dies Leiden«, sagte sie, und ihre Stimme versagte.
    »All dies Leiden… dient in Zukunft… dient in Zukunft uns zu… zu

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