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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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will.«
    »Weshalb sonst?«, sagte sie.
    »Und warum macht er dann keine Aussage?«
    »Weil er Angst hat! Du hast damit nichts zu tun, Tabor, das ist nicht dein Fall, du hast dich um das Mädchen zu kümmern und sonst nichts.«
    »Das hat der Kollege auch gesagt.«
    Süden schaltete die brummende Klimaanlage aus und öffnete das Fenster. Gegenüber war ein altes Gebäude, dessen Fenster in den oberen Stockwerken verstaubt und dessen Fensterstöcke teilweise herausgebrochen waren.
    »Und dann ist noch was«, sagte Süden. Er wandte sich um. Auf dem Bett lagen die beiden Akten aus der Polizeidirektion und mehrere Din-A4-Blätter, darunter sein Bericht. »In Vernehmungsprotokollen von damals taucht die Bemerkung eines Kollegen auf, der einen Überfall auf Annalena Prinz erwähnt.«
    »Wer ist das?«, fragte Sonja mit schwerer Stimme.
    »Das ist das Mädchen, das auf dem Schiff in der Toilette erstickt ist. Sie war damals, als das Haus brannte, auch dabei. Und einige Zeit nach dem Brand wurde sie von Unbekannten überfallen. Ich vermute, sie sollte eingeschüchtert werden, jemand wollte verhindern, dass sie eine Aussage machte.«
    »Woraus schließt du das?«
    »Der Kollege erwähnt in seiner Vernehmung eine Anwältin, sie fungierte als Zeugenbeistand, vielleicht hatte sich Annalena an sie gewandt nach dem Überfall…«
    »Das ist unwahrscheinlich. Eher hat sich die Anwältin an das Mädchen gewandt.«
    »Ja«, sagte Süden. »Ich werde mit ihr sprechen. Sonst stehen dazu keine Einzelheiten in der Akte, das ist seltsam. Zwei Überfälle, damals und jetzt, zwei Feuer und immer dieselben Personen im Umfeld. Und die Berichte sind vollkommen lückenhaft und ungenau.«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Du meinst, weil ich aus dem Westen bin?«
    »Bitte?«
    »Der Kollege Halberstett hat mich gewarnt, sie wollen niemanden von außen dabeihaben, sie haben ihr eigenes System, und das geht uns nichts an.«
    »So ist es.«
    »Ich will nicht, dass Julika mit hineingezogen wird.«
    »Lass das, Tabor!«, sagte Sonja. »Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, jedenfalls für dich nicht. Du bist nicht zuständig.«
    Er fand, sie hörte sich an wie Volker Thon. »Dein Gebiet sind Vermisste, nicht Brandstiftungen, nicht Körperverletzungen, du bist der Süden der Verschwundenen.« Sie brauchte einen Moment, bis sie weitersprach. »Alleingänge sind nicht erwünscht, bei uns nicht und schon gar nicht bei den Kollegen, bei denen du zu Gast bist! Was willst du eigentlich? Du hattest den Auftrag hinzufahren, du bist dort, du hast es geschafft, das Mädchen zu finden. Fertig.« Sie holte Luft. Aber dann sprach sie nicht weiter.
    »Sie hat mir nicht gesagt, was wirklich mit ihr los ist. Was war der konkrete Auslöser? Warum ist sie an jenem Tag weggegangen und an keinem anderen?« Er hörte Sonja stöhnen, er hörte, wie sie ihre Stimme unter Kontrolle behielt.
    »Bist du betrunken?«, fragte sie. Er sagte: »Ich bin nicht…«
    »Sie hatte Geburtstag!«
    Süden wartete ab. Auf einmal hatte er Julikas Stimme im Ohr, ihren Dialekt, der nicht so sehr in den einzelnen Worten zum Ausdruck kam, sondern im Klang, als habe sie ihn wegtrainiert, doch ein Echo war geblieben. Süden mochte ihre Art zu sprechen, sie erinnerte ihn an Martin.
    »Vielleicht war es nur der Geburtstag«, sagte er. »Ich meine noch etwas anderes, sie hat mir nicht gesagt, was sie vorhat. Sie hat nur gesagt, sie würde aus dieser Stadt weggehen. Aber ich bin mir nicht sicher. Ich glaube, sie weiß nicht, was mit ihr passiert. Sie probiert Dinge aus. Sie läuft weg. Sie nistet sich bei diesen Leuten ein. Sie verschwindet wieder. Sie trifft sich mit mir. Sie redet auf mich ein. Sie öffnet ein wenig die Tür. Ich hätte sie nicht gehen lassen dürfen. Ich muss sie wiederfinden, Sonja, ich bin noch nicht fertig mit meinem Auftrag.«
    Aus dem Hörer schlug ihm ein Schweigen entgegen. Schließlich hörte er Sonjas Stimme, wie aus einer Ferne, die viel größer war als in Wirklichkeit. »Dann musst du den jungen Mann beschatten, er führt dich zu ihr. Eine andere Möglichkeit hast du nicht. Beschatte ihn, niemand hält dich auf.«
    »Ich bin ein schlechter Beschatter«, sagte Süden. Sie brauchte ihm nicht zuzustimmen, jeder im Dezernat wusste es. Süden setzte sich auf den Boden und stellte den Telefonapparat zwischen seine Beine. Was Sonja auch sagte, wie überzeugend sie auch klang, sie hatte Recht und Unrecht zugleich. Aus der Sicht einer Polizistin war das, was sie sagte,

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