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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Berlin!«
    »Du redest doch ganz wirr«, sagte er und riss seinen Oberkörper aus ihrer Umklammerung. Er hielt sogar die Hände hoch, wie um sie abzuwehren, was er nicht beabsichtigt hatte. Seine Arme waren wie von allein nach oben geschossen.
    »Du bist feige«, sagte sie.
    Für einen Moment glaubte er, er würde sie nicht wieder erkennen. Alles an ihr stimmte nicht mehr, nicht einmal ihre blauen Augen, ihre schwarzen Haare, nicht einmal ihre Stimme. Jetzt hatte sie wieder etwas gesagt, und er hatte nicht zugehört. Wie in der Nacht in seinem Zimmer. Er musste aufpassen. Sie war seine… Sie hatten… Sie bekam ein… In dem stickigen, muffigen Raum, in dem er dauernd irgendwo dagegenstieß… Er fühlte sich wie in einer Falle.
    »… eine Falle«, hörte er sie sagen. »Du kommst hier nicht raus, das ist vermintes Gelände…«
    Was verstand sie von vermintem Gelände? Was redete…
    »… mitkommen, du darfst hier nicht bleiben, die bringen dich um…«
    »Halts Maul!«, brüllte er. Er brüllte ihr ins Gesicht. Er brüllte nur diese zwei Worte, und es waren die lautesten Worte, die er jemals ausgesprochen hatte. Er hatte sie nicht ausgesprochen, er hatte sie ausgespuckt. Julika wischte sich übers Gesicht, mit der flachen Hand, von der Stirn bis zum Kinn, wie ein Kind. Und das Blau ihrer Augen, so schien ihm, verfärbte sich. Sein Blick klebte auf ihren Augen, und er brachte ihn nicht mehr weg und dachte, das ist keine Verfärbung, was mit ihren Augen passiert, das ist eine Entfärbung, und am Ende werden ihre Augen schneefarben sein.
    Im Fernsehen redete eine Moderatorin ununterbrochen weiter. Als habe er gezielt, streckte Rico den Arm aus und drückte, ohne hinzusehen, den kleinen Knopf, und das Bild erlosch. Jetzt hörte er draußen den Regen. Hier drin brummte die Heizung. Und in seinem Kopf vibrierte eine Stimme, die ihm fremd war.
    Nach nicht einmal einer halben Minute endlosen Schweigens sagte dieselbe Stimme, schon weniger fremd:
    »Ich kann nicht weggehen. Und ich werd nicht weggehen.«
    Und dann sagte die Stimme noch etwas.
    In den zwei Stunden, in denen er auf Julika gewartet und ihn das Warten in einen Zustand seelischer Überhitzung versetzt hatte, war ein Gedanke in ihm gewachsen, gegen den er sich wehrte, nicht, weil er ihn falsch fand, sondern gemein. Doch seine Stimme kannte keine Rücksicht.
    »Wahrscheinlich bist du gar nicht schwanger!«, sagte er. Und das meinte er auch so, in dieser verfluchten Situation, in die sie ihn gebracht hatte. Er spürte sogar ihre Zähne auf den Lippen wieder, unter der Nase, die ihm bei jeder Berührung wehtat.
    Julika sah ihn an. Rico bemerkte, dass ihre Augen so blau waren wie zuvor.
    Ein Meter Abstand trennte ihn von ihr, ein Meter wie ein Kilometer, aus seiner Sicht, ein Meter wie tausend Kilometer, aus ihrer Sicht. Und trotzdem war ihr Arm lang genug, er schnellte nach vorn, und sie packte Ricos Hand und schlug damit auf ihren Bauch, so fest, als wäre seine Hand ein Hammer.
    »Dann töte es!«, schrie Julika. Und ihre Stimme feuerte den Hammer in ihrer Hand an. »Töte es, und du darfst gehen! Töte es selber!« Mit der anderen Hand riss sie ihren Pullover hoch. Und der Handhammer trommelte auf ihren nackten Bauch. Sie war es, die zuschlug, und Rico wehrte sich nicht. Er sah seine Hand auf den nackten Bauch schlagen. Sie schlug und schlug. Dann ballte er die Faust. Und streckte sofort wieder die Finger, damit er ihr nicht noch mehr Schmerzen zufügte, ihr und… und dem… dem…
    »Töte es! Töte es selber!«
    Sie umklammerte sein Handgelenk, er kam nicht frei, er versuchte es. Er bildete sich ein, es zu versuchen, er wusste es nicht. Sie zerrte ihn durch den Raum. Er rannte gegen die Tischkante. Seine Hand trommelte weiter auf ihren Bauch, und sie…
    »Töte es! Töte es!«
    … hatte den Pullover so weit nach oben geschoben, dass er ihren schwarzen BH sehen konnte. Und er starrte ihn an, während seine Hand ein paar Zentimeter darunter die weiße Haut misshandelte. Mit beiden Händen umklammerte sie jetzt sein Handgelenk, und Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie stieß mit seinem Arm in ihren Bauch wie mit einem Schwert. Und dann, in einem irren Anfall, holte er mit der freien Hand aus und schlug ihr ins Gesicht. Ihr Kopf knallte gegen die Wand. Der Knall war dumpf und unheimlich. Ihre Finger glitten von seinem Handgelenk. Aber sie war nicht benommen. Sie schleuderte ihre Jacke, die sie über dem Pullover trug, gegen das Fenster, riss sich den

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