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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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süßerem Geschwätz…«
    Dann schwieg sie. Und sah den Jungen vor sich, der diese Worte auf der Schulbühne gesprochen hatte, stotternd und rot im Gesicht. Und sie wollte das Bild verscheuchen und rief: »Rico! Rico!« Doch das Bild ging nicht weg und wurde schwarzweiß und hatte einen schwarzen Rand.

24
    I n ihr Tagebuch schrieb sie: Es ist ein Glück, in der Menge von Leuten, die um mich herum sind und mich mit ihren Schatten bewerfen, ihn gefunden zu haben. Er hat sie alle vertrieben. Sogar wenn er mich allein lässt, wie jetzt, traut sich niemand zu mir her, ich bin allein für ihn allein. Endlich habe ich vom Alleinsein keine Schmerzen mehr. Indem er mich genommen und auf den Boden geworfen hat, bin ich gesegnet. Jetzt kann mir nichts mehr passieren…
    Julika hob die schmerzende Schulter, bewegte behutsam den Rücken. Doch bei jeder Bewegung zuckte sie zusammen und glaubte, es würden Splitter unter ihrer Haut stecken. Sie hielt die Luft an.
    Sie beugte den Kopf und achtete darauf, die Hand fest auf dem Tisch abzustützen, bevor sie weiterschrieb. In der Gegenwart der Wörter fühlte sie sich geborgen.
    … Der Stern, den er in mir gesät hat, wird wachsen, bis mich keiner von denen wiedererkennt, die mich durch ihre Anwesenheit jahrelang entstellt haben. Nur Rico wird mich erkennen und auch er wird dann staunen. Aber wir werden kein Kind haben, das dürfen wir nicht. Einem dritten Wesen haben wir nicht genügend Glück zu bieten. Das muss er begreifen…
    Einen Moment lang hielt sie inne, bewegte nicht einmal die Hand mit dem schwarzen Stift, achtete nicht auf das Pochen in ihrem Nacken, wie von dumpfen Schlägen einer winzigen Faust. Sie sah die weiße Stelle hinter dem letzten Wort an.… Wenn er zurückkommt, habe ich meine Sachen gepackt, und wir brauchen nur noch ein Auto. Ich könnte zu ihm gehen und ihn holen, ich weiß, wohin er gegangen ist. Ich wäre auch gern noch einmal dort. Einmal am Anfang, einmal am Ende. Ich warte besser. Oder soll ich los? Sag mir, was dir lieber ist. Möchtest du, dass ich plötzlich in der Tür stehe? Würdest du noch einmal mit mir tanzen… Dann malte sie eine kleine Sonne ohne Gesicht auf den unteren Rand der Seite, dieselbe wie auf der vorigen Seite. Doch etwas störte sie. Sie nahm den Stift, zog die Stirn in Falten und machte dann einen Punkt in den Kreis, wie ein winziges drittes Auge.
    Er steckte keine Zitronenscheibe in den Flaschenhals, er hätte sowieso lieber ein Bier ohne Tequilazusatz getrunken. Aber der Wirt des »Eisenhans« hatte ihm unaufgefordert ein Desperados hingestellt, wahrscheinlich, weil der einzige Gast, der außer ihm im Lokal war, das Gleiche trank.
    Aus der Musikbox dröhnte ein Song der Daughters of Hatred, grölender Gesang, harter Rhythmus, E-Gitarren, auf denen die Musiker immer dieselben Riffs spielten. Begeistert schlug der junge Mann, dessen Kopf kahl rasiert war, mit seinen Stiefeln den Takt dazu. Er stützte sich auf dem Automaten ab. Wenn er trank, nahm er nicht die Hände zu Hilfe, sondern beugte sich vor, klemmte die Flasche zwischen die Zähne, legte den Kopf in den Nacken und ließ das Bier in sich hineinlaufen. Dann stellte er die Flasche, ohne sie aus dem Mund zu nehmen, auf die Glasscheibe der Jukebox und rülpste.
    »Nachschub, Robocop!«, rief er.
    Nils Tumm, der schon vor der Wende von allen Robocop genannt worden war, brachte ihm eine neue Flasche, ohne Zitronenscheibe.
    »Drück mal was anderes, Steffen«, sagte er. Steffen drückte wieder die Daughters of Hatred.
    Rico hatte die dritte Flasche ausgetrunken. Was er erhofft hatte, war nicht passiert. Er hatte gedacht, wenn er erst einmal genug Bier intus hätte, würden die Bilder aus ihm herausgeschwemmt werden. Er würde aus der Toilette zurückkommen und erleichtert sein und keine Erinnerung haben und von vorn beginnen, draußen, später, am nächsten Tag. Doch er sah Julika in immer aberwitzigeren Verrenkungen am Boden liegen, sah seine eigene Hand, die ausholte und zuschlug, bildete sich ein, trotz des Kraches aus den Lautsprechern, das patschende Geräusch zu hören, mehrere Male hintereinander. Falsch!, dachte er vage, er hatte nur ein einziges Mal zugeschlagen, aus Versehen. Aus Versehen? Er blickte auf und sah ins Gesicht des Wirts, der sich eine Zigarette aus einer gelben Schachtel anzündete. Rico sah das Gelb, und plötzlich war auch Julikas Pullover gelb. Falsch!, dachte er vage, der Pullover war weiß, ganz sicher weiß. Er griff nach dem Bier. Aber die

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