Gottes Werk und Teufels Beitrag
aber Curly spurtete bereits durch das Unkraut, um die andere Ecke des Hauses.
»Der arme Kleine hat sich einfach in die Hose gemacht«, sagte Candy zu Wally, der sah, wie Candy David Copperfield auf dem Schoß hielt, und ihm war, als würde er gleich zusammenbrechen.
»Bitte«, flüsterte er ihr zu, »du mußt das nicht tun. Du kannst das Baby bekommen. Ich will das Baby – ich will dein Baby. Es wäre gut. Wir können einfach umkehren«, flehte er sie an.
Aber sie sagte: »Nein, Wally. Mir geht’s gut. Es ist nicht die richtige Zeit für uns für ein Baby.« Sie senkte ihr Gesicht in David Copperfields feuchten Nacken; der Junge roch süß und ein wenig moderig.
Das Auto stand still. »Bist du sicher?« flüsterte Wally ihr zu. »Du mußt nicht.« Sie liebte ihn dafür, daß er genau das Richtige im richtigen Moment gesagt hatte, aber Candy Kendall war praktischer veranlagt als Wally Worthington und ebenso hartnäckig wie ihr Vater, wenn sie sich einmal zu etwas entschlossen hatte; sie war keine Schwätzerin.
»Der Junge hat gesagt, fahr links«, sagte Candy zu Wally. »Fahr links.«
Mrs. Grogan stand auf der anderen Straßenseite im Eingang der Mädchenabteilung und beobachtete das zögernde Anrucken des Cadillac. Sie hatte Curly Day nicht aus dem Wagen flüchten sehen, und auch das kleine Kind auf dem Schoß des hübschen Mädchens erkannte sie nicht. Mrs. Grogan ging davon aus, daß das Kind dem hübschen Mädchen gehörte – sie fragte sich, ob sie je ein so hübsches Mädchen gesehen hatte. Ihr junger Mann war allerdings auch hübsch – allzu hübsch für einen Ehemann, wie man in Maine sagt.
Auf Mrs. Grogan wirkten sie zu jung, um jemand zu adoptieren – schade, sinnierte sie, so wohlhabend wie sie aussahen. Ein Cadillac sagte Mrs. Grogan nichts; die Insassen kamen ihr teuer vor. Sie war verwirrt, wie bezaubert sie sich fühlte, wenn sie diese wundersamen Leute ansah. Ihre wenigen kurzen Blicke, die sie auf die Reichsten der Reichen geworfen hatte, hatten Mrs. Grogan früher nicht bezaubert; diese kurzen Blicke hatten ihr ein bitteres Gefühl gegeben – im Namen der unadoptierten Mädchen. Sie war nur für ihre Mädchen da, diese Mrs. Grogan; es war nichts Persönliches in ihrer Verbitterung – und eigentlich sehr wenig Persönliches in ihrem ganzen Leben.
Das Auto stand still und gewährte Mrs. Grogan einen langen Blick. Oh, die armen Schätzchen, dachte sie. Sie sind nicht verheiratet, sie haben dieses Kind zusammen bekommen, entweder er oder sie ist enterbt, und beide sind sie offensichtlich verstoßen worden – und jetzt sind sie gekommen, um ihr Kind herzugeben. Aber sie zögern! Sie wollte hinauslaufen und ihnen sagen: Behaltet das Kind! Fahrt weg! Sie fühlte sich gelähmt durch das Drama, das sie sich ausmalte. Tut es nicht! flüsterte sie und bot ihre ganze Kraft auf für ein mächtiges telepathisches Signal.
Dieses Signal war es, was Wally spürte, als er Candy sagte, daß sie nicht müßte. Dann aber fuhr das Auto wieder an – es wendete nicht, es fuhr geradewegs zur Spitalpforte der Knabenabteilung – und Mrs. Grogan sank das Herz. Junge oder Mädchen, fragte sie sich betäubt.
Was geht hier vor, verflucht noch mal, fragte sich Melony an ihrem sauertöpfischen Fenster.
Wegen des grellen Oberlichts im Schlafsaal konnte Melony ihr eigenes Gesicht im Fenster gespiegelt sehen; sie sah den weißen Cadillac auf ihrer Oberlippe halten. Curly Day entfloh über ihre Wange, und die Arme des hübschen blonden Mädchens umschlangen David Copperfield auf Melonys Kehle.
Es war fast, als schaute Melony in einen Spiegel. Nicht, daß sie beunruhigt gewesen wäre über die Lustlosigkeit ihres Gesichts, oder wie eng ihre Augen beisammenstanden, oder wie ihr Haar sich sträubte; es war ihr eigener Gesichtsausdruck, der sie bestürzte – die Leere, die mangelnde Energie (einstmals hatte sie doch zumindest Energie gehabt). Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich zum letztenmal im Spiegel angeschaut hatte.
Was sie jetzt beunruhigte, war, daß sie diese vertraute Leere eben in Homer Wells’ Gesicht gesehen hatte, als er die Leiche des Bahnhofsvorstehers hochhob – es war nicht die mangelnde Spannung, es war dieser Ausdruck von NullÜberraschung. Melony fürchtete sich vor Homer. Wie sich die Dinge verändert haben! dachte sie. Sie hatte ihn an sein Versprechen erinnern wollen. Du wirst mich mitnehmen, wenn du wegläufst, hatte sie sagen wollen, aber ihre Vertrautheit mit seinem neuen
Weitere Kostenlose Bücher