Gottes Werk und Teufels Beitrag
größten Teil des Vormittags eingesperrt in einen Klistierkarton; sein erster Flugversuch; sein langer Sturz durch das Unkraut; und dann auf dem Gesicht dieses Toten gesessen. Was würde als nächstes kommen? fragte sich Klein Copperfield. Als der Cadillac sich in Bewegung setzte, kreischte er. Er hatte noch nie in einem Auto gesessen.
»Er versteht nichts von Autos«, erklärte Curly Day Candy. Curly selbst hatte auch noch niemals Leder gefühlt, aber er bemühte sich, auf der luxuriösen Sitzbank zu sitzen, als sei er für diese Art zu reisen geboren. Er erkannte die ausgebleichten Flecken, die das Scharlachrot sprenkelten, nicht als Folge eines Unfalls mit Chemikalien – Curly Day würde leider noch oft einen Unfall mit etwas künstlich Beabsichtigtem verwechseln.
»Fahr langsam, Wally«, sagte Candy. »Der Kleine hat Angst.« Sie beugte sich über die Lehne des Vordersitzes und streckte die Arme nach Klein Copperfield aus, dessen Heulen jäh abbrach. Er erkannte die Art wieder, wie ihr Haar zu beiden Seiten ihres Gesichts nach vorne fiel, dies – im Zusammenwirken mit ihren ausgestreckten Armen und einem gewissen Trost in ihrem Lächeln – war Copperfield vertraut von Schwester Angela und Schwester Edna. Männer, dachte Copperfield, hoben einen mit einem Arm hoch und trugen einen auf der Hüfte; mit »Männern« meinte er Homer Wells und Dr. Larch. Curly Day schleppte Copperfield manchmal auf diese Weise umher, aber Curly war nicht kräftig genug und ließ ihn oft fallen.
»Komm her, komm, hab keine Angst«, sagte Candy zu Copperfield und schwang ihn über den Sitz, um ihn auf ihren Schoß zu setzen. Copperfield lächelte und berührte Candys Haar; noch nie hatte er blondes Haar gefühlt, er war sich nicht recht sicher, ob es echt war. Er hatte auch noch nie jemand gerochen, der so gut roch; er drückte sein Gesicht an ihren Hals und schnüffelte einen großen, tiefen Schnaufer voll von ihr. Sie umarmte ihn sogar, sie küßte ihn tatsächlich auf das blaue Grübchen an seiner Schläfe. Sie sah Wally an und weinte beinah.
Curly Day hielt sich, krank vor Neid, am Ledersitz fest und überlegte, was er sagen könnte, damit die beiden ihn wollten. Warum sollte irgend jemand mich wollen? begann er sich zu fragen, aber er wehrte den Gedanken ab. Er suchte Wallys Augen im Rückspiegel des Cadillac; der Anblick von David Copperfield auf Candys Schoß war allzu qualvoll.
»Bist du einer der Waisenjungen?« fragte Wally – taktvoll, wie er hoffte.
»Darauf darfst du wetten!« sagte Curly Day, zu laut; es hat sich zu begeistert angehört, dachte er. »Ich bin nicht nur einer von den Waisenjungen«, sprudelte er plötzlich los, »ich bin der Beste!« Dies brachte Candy zum Lachen; sie drehte sich auf dem Vordersitz um und lächelte ihn an, und Curly hatte das Gefühl, den Halt auf seinem Lederpolster zu verlieren. Er wußte, daß er noch etwas sagen sollte, doch seine Nase floß so mächtig, daß er überzeugt war, alles, was er sagte, würde sich komisch anhören; bevor er sich mit dem Ärmel übers Gesicht fahren konnte, erschien ihre Hand, die ihm ihr Taschentuch hinhielt. Und sie reichte ihm nicht einfach das Taschentuch, wie er erkannte; sie drückte ihm das Taschentuch wirklich an die Nase und hielt es genau an die richtige Stelle.
»Schnaub rein«, sagte Candy. Nur einmal hatte jemand so etwas für Curly getan – Schwester Edna vermutlich. Er schloß die Augen und schnaubte seine Nase – vorsichtig zuerst.
»Mach schon«, sagte Candy. »Schnaube sie richtig!« Er schnaubte sie richtig, schnaubte so nachdrücklich, daß sein Kopf augenblicklich klar wurde. Der köstliche Duft ihres Parfüms machte ihn schwindelig; er schloß die Augen und machte sich in die Hose. Er sah, daß er seine Nase auf ihre Hand geschnaubt hatte – und sie hatte nicht einmal böse geschaut; sie schaute besorgt, und das zwang ihn, noch ausgiebiger zu pinkeln. Er konnte nicht aufhören. Sie schaute völlig überrascht.
»Links oder rechts?« fragte Wally fröhlich und blieb an der Einfahrt zum Lieferanteneingang der Knabenabteilung stehen.
»Links!« schrie Curly; dann stieß er die Hintertür an Candys Seite auf und sagte zu ihr: »Tut mir leid! Ich mache nicht mal ins Bett. Habe ich nie! Ich bin kein Bettnässer. Ich habe nur eine Erkältung! Und ich habe mich so aufgeregt! Ich hab einfach einen schlechten Tag. Ich bin wirklich gut!« rief er. »Ich bin der Beste!«
»Ist gut, ist gut, steig wieder ein«, sagte sie zu ihm,
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