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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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private Züge auf, um etwas Anstaltsmäßiges zu haben. Es gab zum Beispiel Gardinen, und Homer konnte sehen, daß sie, wiewohl verblichen, durchaus vor die Wohnzimmerfenster der Worthingtons gepaßt hätten – woher sie auch stammten. Bekannt kam Homer auch eine besonders übertriebene Friedlichkeit in gewissen blumenreichen Landschaftsgemälden und Tierporträts vor, die an den Gipsplattenwänden hingen – an so unglaublichen Stellen (manchmal zu hoch, manchmal zu niedrig), daß es für Homer keinen Zweifel gab, warum sie aufgehängt worden waren: um Löcher zu verdecken, Stiefellöcher vielleicht oder Faustlöcher, vielleicht auch ganze Kopflöcher. Für Homer strahlte der Raum etwas von der Wut und Angst eines Gemeinschaftsschlafsaals aus, die er nach beinah zwanzig Jahren in der Knabenabteilung von St. Cloud’s nur allzu gut kannte.
    »Was ist das hier?« fragte er Meany Hyde, während über ihm Regen auf das Blechdach prasselte.
    »Das Ciderhaus«, sagte Meany.
    »Aber wer schläft hier – wer wohnt hier? Leben hier Menschen?« fragte Homer. Es war bemerkenswert sauber, aber alles machte einen so abgenutzten Eindruck, daß Homer sich an die alten Schlafkojenkammern in St. Cloud’s erinnert fühlte, wo die Holzknechte und Sägewerker sich aus ihrem erschöpften Leben fortgeträumt hatten.
    »Es ist das Mannschaftsquartier für die Pflücker«, sagte Meany Hyde. »Während der Ernte wohnen hier die Pflükker – die Wanderarbeiter.«
    »Es ist für die Farbigen«, sagte Big Dot Taft und ließ Mop und Eimer fallen. »Jedes Jahr machen wir es behaglich für sie. Wir putzen alles, und wir streichen alles mit frischer Farbe an.«
    »Ich muß die Bretter der Presse einwachsen«, sagte Meany Hyde und stahl sich fort, weil er das hier für Frauenarbeit hielt – dabei machten ja auch Homer und Wally an den meisten Regentagen im Sommer ganz normal beim Anstreichen und Putzen mit.
    »Neger?« fragte Homer Wells. »Die Pflücker sind Neger?«
    »Schwarz wie die Nacht, manche von ihnen«, sagte Florence Hyde. »Sie sind in Ordnung.«
    »Sie sind freundlich!« rief Meany Hyde.
    »Manche von ihnen sind freundlicher als andere«, sagte die dicke Dot Taft.
    »Genau wie manche Leute, die ich kenne«, sagte Irene Titcomb kichernd und hielt die Hand vor ihre Narbe.
    »Sie sind freundlich, weil Mrs. Worthington freundlich zu ihnen ist!« rief Meany Hyde von der verdreckten Ecke mit der Ciderpresse her.
    Das Gebäude roch nach Essig – nach altem, sauer gewordenem Cider. Es war ein starker Geruch, der aber nichts Beklemmendes oder Unsauberes an sich hatte.
    Debra Pettigrew lächelte Homer an, über den Eimer hinweg, den sie zusammen benutzten; vorsichtig erwiderte er ihr Lächeln, fragte sich dabei, wo Wally heute im Regen arbeiten mochte, und dachte an Ray Kendall bei seiner Arbeit. Ray war entweder draußen auf der kabbeligen See, in seinem glänzenden Südwester, oder er arbeitete am Gestänge der International-Erntemaschine, in dem Gebäude, das Nummer zwei hieß.
    Grace Lynch scheuerte die Linoleumtheken in der Küche des Ciderhauses. Homer fragte sich, wieso er sie dort nicht früher bemerkt hatte, wieso er gar nicht gewußt hatte, daß sie zu seinem Trupp gehörte. Louise Tobey, die eben eine Zigarette bis auf den Stummel geraucht und die Kippe durch die Tür des Pflückerquartiers geschnippt hatte, stellte fest, daß ihr Mop-Wringer aus dem Leim gegangen war. »Er klemmt oder so, irgendwie«, sagte Drück-mich-Louise verärgert.
    »Louises Mop-Wringer ist aus den Fugen«, spöttelte Big Dot Taft.
    »Arme Louise – dein Mop-Wringer klemmt, he?« sagte Florence Hyde und lachte, was die dicke Dot Taft in brüllendes Gelächter ausbrechen ließ.
    »Oh, hört doch auf!« sagte Louise. Sie gab ihrem Mop-Wringer einen Tritt.
    »Was ist los da draußen?« rief Meany Hyde.
    »Louise hat ihren Wringer überstrapaziert«, sagte Big Dot Taft. Homer sah Louise an, die verärgert war; dann sah er Debra Pettigrew an, die errötete.
    »Strapazierst du deinen armen Wringer so arg, Louise?« fragte Irene Titcomb.
    »Louise, wahrscheinlich steckst du zu viele Mops in deinen Wringer, mein Schatz«, sagte Florence Hyde.
    »Benehmt euch, ihr alle!« rief Meany Hyde.
    »Zu oft einen Mop, das ist mal sicher«, sagte Big Dot Taft. Das fand sogar Louise komisch. Als sie Homer Wells anschaute, schaute er weg; Debra Pettigrew beobachtete ihn, darum schaute er auch weg von ihr.
    Als Herb Fowler in der Mittagspause kam, stapfte er ins Ciderhaus

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