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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ihm auf den Leib gerückt war, hatte Homer sein erstes Stelldichein mit Debra Pettigrew; und er fuhr zum erstenmal in seinem Leben mit Wally und Candy ins Autokino. Sie saßen alle miteinander in Seniors Cadillac, Homer und Debra Pettigrew auf dem bekleckerten Rücksitz, wo einige Monate zuvor Curly Day die Kontrolle über sich verloren hatte; Homer wußte nicht, daß der Zweck von Autokinos letztlich darin bestand, auf Rücksitzen von Autos die Kontrolle über sich zu verlieren.
    »Homer war noch nie in einem Autokino«, verkündete Wally Debra Pettigrew, als sie sie abholten. Die Pettigrews waren eine große Familie mit Hunden – vielen Hunden, die meisten angekettet, einige an die Stoßstangen verschiedener stillgelegter und totgesagter Autos, die seit langem auf dem Rasen vor dem Haus herumstanden, so daß schon Gras durch die Kardanwellen und Achslager wuchs. Während Homer, auf dem Weg zu Debras Haustür, tapfer um die schnappenden Hunde herumging, sprangen die Hunde gegen die unverrückbaren Autos an.
    Die Pettigrews waren eine in Zahl und Leibesfülle sehr umfangreiche Familie, von deren potentiellem Leibesumfang Debras herzige Molligkeit nur eine leise Ahnung vermittelte. An der Tür empfing Debras Mutter Homer mit wuchtigem Gruß – als die Frau mit den Monstergenen, die verantwortlich waren für solche wie Debras Schwester, die dicke Dot Taft.
    »de-bra!« kreischte Debras Mutter. »Dein beau! – He, Honigschatz«, sagte sie zu Homer. »Hab schon gehört, wie anständig du bist und was für gute Manieren du hast – entschuldige bitte die Unordnung.« Debra tauchte errötend neben ihr auf und versuchte Homer ebenso energisch hinauszugeleiten, wie ihre Mutter ihn hineinzugeleiten suchte. Er sah ein paar dickleibige Menschen, manche mit erstaunlich angeschwollenen Gesichtern, als hätten sie ihr halbes Leben unter Wasser zugebracht oder unglaubliche Schläge ausgehalten; sie alle mit breitem, freundlichem Lächeln – ein Widerspruch zu der unsäglichen Bosheit der Hunde, die mit so wütender Raserei hinter Homers Rücken bellten.
    »Wir müssen gehen, Mom«, quengelte Debra und schob Homer aus der Tür. »Wir dürfen uns nicht verspäten.«
    »Verspäten – bei was?« gackerte einer aus dem Haus, das vor fettem Gelächter bebte; es folgte ein Husten, dann mühseliges Seufzen, bevor die Hunde einen solchen Radau veranstalteten, daß Homer befürchtete, Debra und er würden den Weg bis zum Cadillac nie schaffen.
    »Schnauze halten!« schrie Debra die Hunde an. Sie hörten alle auf, doch nur für eine Sekunde.
    Als Wally sagte: »Homer ist noch nie in einem Autokino gewesen«, mußte er schreien, um die Hunde zu übertönen.
    »Ich bin noch nie in einem Kino gewesen«, gestand Homer.
    »Liebe Güte«, sagte Debra Pettigrew. Sie roch angenehm; sie war viel hübscher und sauberer, als sie in ihren Apfelmarktkleidern aussah; auch für die Arbeit zog sich Debra mit einer gewissen kecken Ordentlichkeit an. Sie war nicht übertrieben mollig, und während sie nach Cape Kenneth rollten, brach ihre natürliche gute Laune so herzlich hervor, daß sogar ihre Schüchternheit verschwand – sie war ein Mädchen, das Spaß verstand, wie man in Maine sagt. Sie sah niedlich aus und war immer guter Dinge, sie arbeitete hart, war gutmütig und nicht sehr intelligent. Ihre Zukunftsaussichten beliefen sich bestenfalls auf eine Heirat mit einem netten, nicht sehr viel älteren und nicht deutlich intelligenteren Mann.
    Im Sommer bewohnten die Pettigrews eines der neuen Häuser am überfüllten, verschmutzten Gestade des Drinkwater-Sees; sie hatten es beinah augenblicklich geschafft, daß das neue Haus verwohnt aussah – auf dem besten Weg zur Bruchbude. Aus dem Rasen sprossen über Nacht wieder die Autowracks, und die Hunde hatten den Umzug aus dem Winterquartier der Pettigrews in Kenneth Corner überlebt, ohne von ihrem unbändigen Territorialinstinkt etwas einzubüßen. Wie alle anderen Hütten rund um den Drinkwater-See hatte auch die der Pettigrews einen Namen bekommen – als wären die Häuser selbst Waisen, unvollständig zur Welt gekommen und weiterer Schöpfungsakte harrend. Das Haus der Pettigrews hieß »Wir alle!«.
    »Das Ausrufungszeichen haut mich wirklich um«, hatte Wally zu Homer gesagt, als sie auf den Auto- und Hundeparkplatz einbogen. »Als ob sie stolz wären auf ihre Bevölkerungsdichte.« Aber nachdem Debra zu ihnen in den Wagen gestiegen war, hielt Wally sich höflich zurück.
    Diese Gekünsteltheit

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