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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Fahrer, den sie auf Ende Vierzig oder Anfang Fünfzig schätzte; sein Haar war grau und schütter, und er schob einen ziemlichen Wanst vor sich her. Er behauptete einen Moment seine Stellung und beobachtete Melony, wie sie näher kam. Der Gürtel war ein breiter Riemen von schweiß- und ölgeflecktem Leder; die Messingschnalle war von der Größe einer Männerhand; mit ihren eckigen Kanten summte sie durch die Luft wie der Nordwind – sie machte ein Geräusch wie eine Sense.
    »He!« sagte der fette Mann.
    »Was, he, Macker?« sagte Melony. Plötzlich senkte sie den Gürtel und ließ die Schnalle über die Schienbeine des Mannes krachen, wo sie einen Fetzen Bluejeans und Haut abhob, der aussah wie eine zerfetzte Dollarnote. Als der Mann sich bückte, um seine Beine zu umklammern, drosch sie die Gürtelschnalle gegen die Seite seines Gesichts; er setzte sich unvermittelt und drückte die Hand auf seine Wange, wo er einen Riß ungefähr von der Länge und Dicke einer Zigarette spürte. Er hatte keine Zeit, über seine Wunde nachzudenken, bevor die Gürtelschnalle ihm frontal über den Nasenrücken klatschte – die Wucht des Hiebes und der Schmerz blendeten ihn für einen Moment. Er versuchte mit einem Arm seinen Kopf zu bedecken, während er mit dem anderen nach Melony grapschte, doch sie traf ihn mühelos überall, und er zog schnell seine Knie an die Brust und bedeckte Gesicht und Kopf mit beiden Armen. Die Schnalle harkte und kerbte ein Weilchen sein Rückgrat; dann hörte Melony auf, das Schnallenende auf ihn niedersausen zu lassen – sie drosch ihn nur noch mit dem flachen Ende des Gürtels über die Kehrseite seiner Schenkel und seinen Hintern. Es schien, als wolle sie nie mehr aufhören.
    »Sind die Schlüssel im Lastwagen, Macker?« fragte sie ihn zwischen zwei Hieben.
    »Ja«, schrie er, aber sie schlug ihn noch einige Male, bevor sie ihn verließ.
    Den Gürtel nahm sie mit und marschierte durch den ersten Obstgarten zurück. Unterwegs schlug sie ab und zu mit dem Ende des Gürtels, mit dem sie eine gewisse Geschicklichkeit entwickelt hatte, einen Apfel ab.
    Der Mann namens Charley kam wieder zu sich, aber er regte sich nicht und hielt die Augen geschlossen. »Ist sie weg, Charley?« fragte der fette Mann nach einer Weile, weil auch er sich nicht geregt hatte und die Augen geschlossen hielt.
    »Ich hoffe es«, sagte Charley, aber keiner der beiden Männer regte sich, bis sie hörten, wie Melony den Lastwagen anließ.
    Sie mußte daran denken, daß sie es Dr. Larch verdankte, daß sie Auto fahren konnte, weil er ihr einmal eine Arbeit verschafft hatte, bei der sie es gelernt hatte, aber der Gedanke verflog gleich wieder. Sie wendete den Lastwagen und fuhr zurück zum Apfelmarkt, wo sie zur Verblüffung des Vorarbeiters alsbald vorfuhr.
    Sie erzählte dem Vorarbeiter – vor den Frauen, die an dem Schild arbeiteten –, daß zwei seiner Männer versucht hätten, sie zu vergewaltigen. Einer der Männer, der fette, war verheiratet mit der Frau, die von Hand die Tafel beschriftete. Melony sagte zu dem Vorarbeiter, daß er diese beiden Männer feuern und ihre Arbeit ihr geben könnte. »Was die beiden machen, kann ich auch, sogar besser«, sagte Melony.
    Oder aber, so sagte sie zu dem Vorarbeiter, er könne die Polizei rufen, und sie würde der Polizei erzählen, wie sie angegriffen worden war. Die Frau, deren Ehemann Melony überfallen hatte, war blaß und schwieg, aber die andere Frau sagte zu dem Vorarbeiter, was sie schon früher gesagt hatte: »Sie ist nur eine Landstreicherin. Wozu hören Sie ihr zu?«
    »Ich kann auch alles, was du machst«, sagte Melony zu der Frau. »Vor allem alles, was du auf dem Rücken machst. Du siehst aus, als wärst du ’n Dreck wert auf dem Rücken«, sagte Melony, und sie schnellte das flache Ende des Gürtels gegen die Frau, die zurücksprang, als sei der Gürtel eine Schlange.
    »He, das ist Charleys Gürtel«, sagte der Vorarbeiter.
    »Richtig«, sagte Melony; dieses Echo auf Homer Wells trieb ihr fast die Tränen in die Augen. »Charley hat ihn verloren«, fügte sie hinzu. Sie ging zum Lastwagen und holte ihr Bündel heraus – ihre paar Sachen, die alle in Mrs. Grogans Mantel eingewickelt waren. Sie benutzte den Gürtel, um den Mantel und seinen Inhalt fester zusammenzuschnüren.
    »Ich kann diese Burschen nicht feuern«, sagte der Vorarbeiter zu ihr. »Sie haben ihr Leben lang hier gearbeitet.«
    »Also, dann rufen Sie die Polizei«, sagte Melony.
    »Sie droht Ihnen«,

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