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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Bewegung, zurück zum Apfelmarkt.
    »Ich gebe dir zehn Cent pro Bushel!« rief der Vorarbeiter und lief ihr nach. »Nur einen Nickel pro Bushel für Fallobst, wenn du das Obst beschädigst! Du scheinst ziemlich kräftig zu sein. Hast du den Bogen erst raus, dann könntest du neunzig Bushels am Tag pflücken. Das sind zehn Scheine pro Tag«, sagte er. »Komm in drei Wochen wieder«, fügte er hinzu und blieb neben der Frau stehen, die die Tafel im Apfelmarkt beschriftete; Melony war schon wieder auf der Straße.
    »In drei Wochen bin ich anderswo«, sagte sie zu dem Vorarbeiter.
    »Schade«, sagte der. Er sah ihr nach, wie sie die Straße entlangmarschierte, zurück zur Küste. »Sie wirkt kräftig«, sagte er zu einer der Frauen im Markt. »Ich wette, sie wiegt an die hundertsechzig.«
    »Sie ist nur eine kleine Landstreicherin«, sagte die Frau.

    Ungefähr eine Meile vom Apfelmarkt entfernt, marschierte Melony an einem Obstgarten entlang, wo zwei Arbeiter Gravensteiner pflückten. Einer der Männer winkte ihr zu; Melony wollte schon zurückwinken, aber sie besann sich anders. Sie war noch keine hundert Schritt an den Männern vorbei, als sie hinter sich den Farmlastwagen rollen hörte. Der Lastwagen bog neben ihr aus, auf den Straßenrand, und der Fahrer sagte zu ihr: »Du machst ein Gesicht, als hättest du deinen Schatz verloren. Wie gut, daß du mich gefunden hast.« Der Mann auf der Beifahrerseite des Lastwagens stieß die Tür auf, bevor der Lastwagen ausrollte.
    »Laß mich in Ruhe, Macker«, sagte Melony zu dem Fahrer, aber der andere Mann war bereits um den Lastwagen herum und kam näher. Melony sprang über den Straßengraben und rannte in den Obstgarten. Der Mann folgte ihr mit Gebrüll. Der Fahrer stellte den Lastwagenmotor ab und schloß sich der Verfolgung an – er ließ die Tür offen, so eilig hatte er es.
    Nirgends war etwas, wo man sich verstecken konnte, aber die Obstgärten schienen endlos. Melony rannte eine Reihe zwischen den Bäumen hinunter, dann eine andere hinauf. Der erste Mann, der sie verfolgte, holte auf, doch sie merkte, daß der Fahrer immer weiter zurückblieb; er war ein dicker, schwerfälliger Mann, und er schnaufte und keuchte, nachdem er fünf oder sechs Bäume passiert hatte. Melony schnaufte und keuchte selber auch, aber sie rannte sicher und gleichmäßig, und obwohl der erste, kleinere Mann aufholte, hörte sie ihn immer mühsamer keuchen. Sie querte einen Feldweg und lief in einen anderen Obstgarten. Weit hinter ihr, zwei- bis dreihundert Meter vielleicht, sah sie, daß der dicke Fahrer in eine resolute Gangart abgefallen war.
    »Fang sie, Charley!« rief er dem schnelleren Mann zu.
    Zu Charleys Überraschung blieb Melony stehen und wandte sich nach ihm um. Sie schöpfte rasch genug Atem, dann rannte sie auf Charley los – sie bewegte sich gebückt vorwärts, eine Art tierischen Jaulens in der Kehle; der Mann namens Charley konnte nicht einmal mehr stehenbleiben und Luft holen, bevor sie sich auf ihn stürzte. Sie fielen gemeinsam – als sie ihr Knie an seiner Kehle spürte, drückte sie zu. Er machte ein würgendes Geräusch und rollte zur Seite. Melony sprang auf; sie stampfte zweimal auf sein Gesicht, und als es Charley gelang, sich auf allen vieren herumzuwälzen, sprang sie so hoch, wie sie konnte, und landete mit beiden Füßen in seinem Kreuz. Er war schon bewußtlos, als sie seine Arme hinter ihm festhielt und ihn ins Ohr biß; sie spürte, wie ihre Zähne zusammenstießen. Sie ließ ihn los und kniete sich neben ihn; sie schöpfte wieder Atem; dann spuckte sie ihn an. Als sie aufstand, sah sie, daß der massige Mann erst beim Feldweg zwischen den beiden Obstgärten angelangt war.
    »Charley! Steh auf!« sagte er hechelnd, aber Charley regte sich nicht. Melony wälzte Charley auf den Rücken und öffnete seinen Gürtel. Sie riß ihn grob durch die Schlaufen, bis sie ihm den Gürtel abgezogen hatte. Der dicke Mann, der Fahrer, war jetzt nur noch drei oder vier Apfelbäume entfernt von ihr. Sie schlang das eine Ende des Gürtels zweimal um ihr Handgelenk und ihre Faust; als sie ihren Arm seitlich herabhängen ließ, berührte das Schnallenende des Gürtels ihren Fuß. Nur zwei Bäume von ihr entfernt, blieb der dicke Mann stehen. »Was hast du mit Charley gemacht?« fragte er sie, aber Melony fing an, den Gürtel zu schwingen; sie schwang ihn um ihren Kopf, schnell und immer schneller. Die eckige Messingschnalle fing an zu pfeifen. Melony näherte sich dem massigen

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