Gottes Werk und Teufels Beitrag
Widerstreit in mir herrschte, als ich sie hienieden liebte.« Ich glaube, ich würde es vorziehen, Candy hienieden zu lieben, »auf Erden«, dachte Homer – als Olive ihn störte.
»Homer!« rief sie die Treppe hinauf. »Wo ist Pearl Harbor?«
Für diese Frage war er der falsche Mann; Homer Wells hatte nur einmal die ganze Welt gesehen, und nur kurz – und flach vor der Schultafel. Er hatte Mühe gehabt, South Carolina ausfindig zu machen; wo Pearl Harbor war, wußte er genausowenig wie was es war.
»Ich weiß nicht«, rief er die Treppe hinab.
»Die Japaner haben es eben bombardiert«, rief Olive ihm zu.
»Du meinst, mit Flugzeugen?« rief Homer Wells. »Vom Himmel?«
»Natürlich vom Himmel!« rief Olive. »Komm lieber und hör dir das an.«
»Wo ist Pearl Harbor?« fragte Candy ihren Vater.
»Pssst!« sagte Raymond Kendall. »Wenn wir weiter hören, werden sie es vielleicht sagen.«
»Wie konnten sie bei so einem Angriff davonkommen?« fragte Candy.
»Weil irgend jemand seine Arbeit nicht getan hat«, sagte Ray.
Die ersten Berichte waren verwirrend. Es war die Rede davon, daß Kalifornien angegriffen oder sogar besetzt worden wäre. Viele Hörer waren von Anfang an verstört; sie glaubten, Pearl Harbor wäre in Kalifornien.
»Wo ist Hawaii?« fragte Mrs. Grogan. Sie tranken Tee und aßen Plätzchen und hörten Musik aus dem Radio, als die Nachricht kam.
»Hawaii ist im Pazifischen Ozean«, sagte Wilbur Larch.
»Oh, das ist aber sehr weit weg«, sagte Schwester Edna.
»Nicht weit genug«, sagte Dr. Larch.
»Es wird wieder einen Krieg geben, nicht wahr?« fragte Schwester Angela.
»Ich schätze, er hat bereits angefangen«, sagte Wilbur Larch, während Wally – dem der Krieg am meisten bedeutete – Fred Astaire zuschaute; Fred tanzte einfach immer weiter, und Wally hätte sich diese Darbietung von Eleganz und Anmut stundenlang anschauen mögen.
Melony und Lorna hörten Radio im Salon der Fremdenpension, wo Lorna wohnte. Es war eine Pension nur für Frauen; die Frauen waren entweder ganz alt oder, wie Lorna, erst kürzlich von ihren Männern geschieden. An diesem Sonntagnachmittag waren die meisten Frauen, die am Radio saßen, alt.
»Wir sollten einfach Japan bombardieren«, sagte Melony. »Gar nicht lange fackeln, einfach das ganze Land in die Luft sprengen.«
»Weißt du, wieso die Japsen Schlitzaugen haben?« fragte Lorna. Melony und all die alten Frauen lauschten aufmerksam. »Weil sie die ganze Zeit masturbieren – Männer und Frauen. Sie tun es einfach die ganze Zeit.«
Es herrschte halb höfliches, halb bestürztes Schweigen. Melonys Schweigen war höflich.
»Ist das ein Witz?« fragte sie ihre Freundin respektvoll.
»Natürlich ist es ein Witz!« schrie Lorna.
»Ich kapier’s nicht, schätze ich«, gestand Melony.
»Wie es kommt, daß Japsen Schlitzaugen haben?« fragte Lorna. »Weil sie die ganze Zeit masturbieren.« Sie machte eine Pause.
»Das hast du, glaube ich, schon gesagt«, sagte Melony.
»Weil sie jedesmal die Augen schließen, wenn sie kommen«, sagte Lorna. »Ihre Augen werden müde vom dauernden Auf- und Zumachen. Das ist der Grund, warum sie ihre Augen nicht mehr aufmachen können. Kapiert?« fragte Lorna triumphierend.
Melony, die sich immer noch wegen ihrer Zähne schämte, brachte ein schmallippiges Lächeln zuwege. Wer die alten Frauen im Salon der Fremdenpension gesehen hätte, hätte nicht zu sagen gewußt, was sie mit Furcht und Zittern erfüllte: die Nachricht vom Angriff auf Pearl Harbor, oder Lorna und Melony.
Und der junge Wally Worthington, den es so sehr juckte, ein Held zu sein, tanzte auf die Straßen von Orono hinaus, wo er die Nachricht vernahm. Präsident Roosevelt sollte später von einem »Tag der Schande« sprechen, aber dieser Tag bedeutete mehr als eine Schande für Wally, dessen edles und abenteuerlustiges Herz danach verlangte, eine B-24-Liberator zu fliegen: einen schweren Bomber, vier Motoren, eingesetzt für das Bombardement von Brücken, Ölraffinerien, Treibstofflagern, Eisenbahnschienen und so weiter. Irgendwo wartete an diesem Tag der Schande ein B-24-Liberator-Bomber darauf, daß der junge Wally Worthington lernte, ihn zu fliegen.
Die Leute in Heart’s Haven und in Heart’s Rock hatten immer gesagt, daß Wally alles habe: Geld, gutes Aussehen, ein freundliches Wesen, Charme, das Mädchen seiner Träume – aber er hatte auch Mut – und zu viel von den gefährlichsten Eigenschaften der Jugend: Optimismus und Rastlosigkeit. Er
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