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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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erwartet?«
    »Doch«, sagte Homer Wells und schaute weg. Grace Lynch starrte ihn an, und er wandte auch von ihr den Blick ab.
    »Wenn ich in deinem Alter wäre«, sagte Vernon Lynch zu Homer beim Beschneiden in einem Obstgarten namens Cock Hill, »würde ich mich freiwillig melden. Ich würde tun, was Wally getan hat.«
    »Ich kann nicht«, sagte Homer Wells.
    »Nehmen sie keine Waisen?« fragte Vernon.
    »Doch«, sagte Homer. »Aber ich habe einen Herzfehler, von Geburt an.«
    Vernon Lynch war kein Klatschmaul, aber mehr brauchte Homer nicht zu sagen – die Arbeiter auf Ocean View verziehen Homer nicht nur, daß er sich nicht freiwillig gemeldet hatte, sie fingen sogar an, sich um ihn zu sorgen. Sie behandelten ihn auf eine Weise, die Dr. Larch bestimmt gefallen hätte.
    »Weißt du, ich hab’s nicht so gemeint«, sagte Herb Fowler zu Homer. »Das mit dem Fabrikationsfehler. Das hätte ich nicht gesagt, wenn ich das mit deinem Herzen gewußt hätte.«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte Homer.
    Und an einem der ersten Frühlingstage, als es Zeit wurde, die Kästen für die Bienenstöcke herzurichten, beeilte sich Ira Titcomb, Homer zu helfen, der sich mit einer besonders schweren Planke plagte.
    »Überanstrenge dich nicht, bei Gott«, sagte Ira.
    »Ich schaffe es, Ira. Ich bin stärker als du«, sagte Homer, der Iras Sorge erst nicht verstand.
    »Ich habe gehört, dein Herz ist nicht ganz so stark«, sagte Ira.
    Am Muttertag brachte Vernon Lynch ihm bei, die Sprinkler allein zu bedienen. Er beharrte darauf, Homer abermals einen Vortrag über den Gebrauch der Atemmaske zu halten. »Du mußt mehr als jeder andere«, sagte Vernon zu ihm, »darauf achten, das Ding zu tragen und es sauberzuhalten.«
    »Ausgerechnet ich«, sagte Homer Wells.
    Sogar Debra Pettigrew verzieh ihm seine irgendwie unklare Freundschaft mit Candy. Als das Wetter wärmer wurde, fuhren sie wieder parken, und eines Abends schafften sie ein paar längere Küsse im leerstehenden Sommerhaus der Pettigrews am Drinkwater Lake. Der kalte, abgestandene Geruch des Hauses erinnerte Homer an seine ersten Tage im Ciderhaus. Wenn seine Küsse ihr zu harmlos erschienen, wurde Debra unruhig; wenn seine Küsse ihr zu leidenschaftlich vorkamen, sagte Debra: »Vorsicht! Reg dich nicht zu sehr auf.« Er war ein junger Mann von ungewöhnlichem Zartgefühl, sonst hätte er Debra vielleicht zu verstehen gegeben, daß nichts von dem, was sie ihm erlaubte, jemals sein Herz gefährden konnte.
    Es war Frühling. Wally wurde nach Kelly Field – San Antonio, Texas – geschickt, zur Kadettenausbildung des Luftwaffen-Corps der Armee (Staffel 2, Geschwader C), und Melony dachte, daß es die richtige Zeit wäre für sie, sich wieder auf den Weg zu machen.
    »Du bist verrückt«, sagte Lorna zu ihr. »Je mehr Krieg es gibt, desto mehr gute Arbeit gibt es für uns. Unser Land braucht jetzt alle möglichen Sachen, die zusammengebaut werden müssen – aber doch nicht mehr Äpfel.«
    »Scheiß drauf, was das Land braucht«, sagte Melony. »Ich suche nach Homer Wells, und ich werde ihn finden.«
    »Dann sehe ich dich also nächsten Winter wieder?« fragte Lorna ihre Freundin.
    »Falls ich Ocean View oder Homer Wells nicht finde«, sagte Melony.
    »Also dann sehe ich dich nächsten Winter nicht wieder?« sagte Lorna. »Du läßt dich von einem Mann zur Schnecke machen.«
    »Genau das lasse ich ihn nicht mit mir machen«, sagte Melony.
    Mrs. Grogans Mantel hatte schon bessere Tage gesehen, aber das von Charleys Gürtel zusammengehaltene Bündel von Habseligkeiten hatte beträchtlich zugenommen. Melony hatte in den Schiffswerften Geld verdient und sich ein paar derbe Arbeiterkleidungsstücke geleistet, darunter ein gutes Paar Stiefel. Lorna machte ihr ein Geschenk, als sie ging.
    »Ich habe früher mal gestrickt«, erklärte Lorna. Es war ein wollener Kinderfäustling – nur der linke und zu klein für Melony, aber in hübschen Farben. »Er sollte für ein Baby sein, das ich niemals bekam, weil ich nicht lange genug verheiratet geblieben bin. Den rechten habe ich nicht fertig gekriegt.« Melony starrte den Fäustling in ihrer Hand an – er war sehr schwer; er war voller Kugellagerkugeln, die Lorna aus den Werften stibitzt hatte. »Es ist eine Superwaffe«, erklärte Lorna. »Falls du jemand begegnest, der eine größere Schnecke ist als du.«
    Das Geschenk trieb Melony Tränen in die Augen, und die Frauen umarmten einander zum Abschied. Melony verließ Bath, ohne der kleinen Mary

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