Gottes Werk und Teufels Beitrag
würde alles, was er hatte, aufs Spiel setzen, um das Flugzeug zu fliegen, das die Bombe in seinem Innern zu tragen vermochte.
Wally meldete sich vor Weihnachten freiwillig zum Luftwaffen-Corps der Armee, durfte aber Weihnachten noch zu Hause verbringen. Das Luftwaffen-Corps der Armee sollte länger als ein Jahr brauchen, um Wally die grausamen Künste des Luftkrieges zu lehren.
»Bis dahin«, sagte er zu Olive und Candy in der Küche auf Ocean View, »werden die Kämpfe wahrscheinlich sowieso vorbei sein. Das wäre ein Glück für mich.«
»Das wäre in der Tat ein Glück«, sagte Olive, und Candy nickte.
»Richtig«, sagte Homer Wells aus dem anderen Zimmer. Er dachte immer noch an seine Freistellung von der Musterung; Dr. Larchs Bericht über die Krankengeschichte von Homers Herz hatte ausgereicht. Zur Musterung wurden nur Leute herangezogen, die Tauglichkeitsstufe 1 waren. Homer Wells war Stufe 4. Laut Auskunft seines Hausarztes hatte Homer eine angeborene Pulmonalstenose; Homers »Hausarzt« war Dr. Larch, dessen Brief an die örtliche Musterungskommission als ausreichender Beleg für Homers Zurückstellung akzeptiert worden war – Larch war ebenfalls Mitglied der örtlichen Kommission.
»Ich hab sie gebeten, mich zu heiraten, aber sie wollte nicht«, sagte Wally zu Homer in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer. »Sie will auf mich warten, aber nicht mich heiraten. Sie hat gesagt, sie würde meine Frau werden, aber nicht meine Witwe.«
»Das hast du also mit ›Kommt Zeit, kommt Rat‹ gemeint?« sagte Homer am nächsten Tag zu Candy.
»Ja«, sagte Candy. »Seit Jahren warte ich darauf, Wally zu heiraten. Du bist später gekommen. Bei dir muß ich abwarten und dann weitersehen. Und jetzt kommt der Krieg. Und auch da muß ich abwarten und sehen, was wird.«
»Aber du hast ihm ein Versprechen gegeben«, sagte Homer Wells.
»Ja«, sagte Candy. »Heißt ein Versprechen nicht warten können? Hast du schon mal ein Versprechen gegeben und es ehrlich gemeint – und es gebrochen?« Homer Wells zuckte unwillkürlich zusammen, so plötzlich und unkontrollierbar, als hätte Candy ihn »Sonnenstrahl« genannt.
Während des Weihnachtsessens versuchte Raymond Kendall, das lastende Schweigen aufzulockern: »Ich hätte mich für Unterseeboote entschieden.«
»Dann würdest du am Ende die Hummer ernähren«, sagte Wally.
»Das ist in Ordnung«, sagte Ray. »Sie haben mich ernährt.«
»In einem Flugzeug hat man bessere Chancen«, sagte Wally.
»Ja, eine Chance«, sagte Candy verächtlich. »Warum möchtest du irgendwo sein, wo du nicht mehr hast als eine Chance?«
»Gute Frage«, sagte Olive ärgerlich. Sie ließ eine silberne Serviergabel mit solcher Wucht auf die Fleischplatte fallen, daß es aussah, als zuckte die Gans zusammen.
»Eine Chance ist genug«, sagte Homer Wells und wunderte sich über den Tonfall in seiner Stimme. »Eine Chance ist alles, was wir haben, richtig? In der Luft oder unter Wasser oder hier – von dem Augenblick an, da wir geboren werden.« Oder von dem Augenblick an, da wir nicht geboren werden, dachte er; jetzt erst erkannte er den Tonfall in seiner Stimme – es war der von Dr. Larch.
»Das ist eine ziemlich grimmige Philosophie«, sagte Olive.
»Ich dachte, du studiertest Anatomie«, sagte Wally zu Homer, der Candy anschaute, die wegschaute.
Sie schickten Wally für den Januar nach Fort Maede, Maryland. Er war ein treuer, aber schrecklicher Briefschreiber; er schrieb an seine Mutter, an Homer und Candy und sogar an Ray, aber niemals erklärte er etwas; falls es einen Plan gab in dem, was man ihm beibrachte, kannte ihn Wally entweder nicht, oder er konnte ihn nicht beschreiben. Er schrieb lediglich in ermüdender Ausführlichkeit über das letzte, was seine Gedanken beschäftigt hatte, bevor er den Brief anfing; hierzu gehörte der Beutel, den er erfinderisch von seinem Stockbett herabhängen ließ, um seine Schuhkrem von seiner Zahnpasta zu trennen, sowie der Wettbewerb um den besten Namen für ein Flugzeug, der die Phantasie der Kompanie A beherrschte. Auch war er begeistert davon, daß ein Küchenfeldwebel ihm mehr Limericks beigebracht hatte, als Senior in seinen letzten Jahren hatte behalten können. Jeder Brief, den Wally an irgend jemand schrieb, enthielt einen Limerick; Ray gefielen sie und Homer auch, aber Candy machten sie wütend, und Olive war angewidert. Candy und Homer zeigten einander die Limericks, die Wally ihnen schickte, bis Homer merkte, daß das Candy noch
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