Gottes Werk und Teufels Beitrag
Candy zu beiden Seiten eines fünfjährigen Jungen, der sich von einer Tonsillektomie erholte. Das war Hilfspflegerarbeit: Man saß bei den Patienten, wenn sie aus der Narkose erwachten, besonders den Kindern, besonders den Tonsillektomien – sie waren oft verängstigt und litten unter Schmerzen und Übelkeit, wenn sie erwachten. Homer behauptete, daß ihnen nicht annähernd so übel wäre, wenn man ihnen etwas weniger Äther verabreicht hätte.
Eine der Schwestern war bei ihnen im Erholungsraum; es war eine, die sie gern hatten, ein junges Mädchen, etwa in ihrem Alter. Ihr Name war Caroline, und sie war freundlich mit den Patienten und barsch mit den Ärzten.
»Du verstehst eine Menge vom Äther, Homer«, sagte Schwester Caroline.
»Mir scheint, er wird in manchen Fällen zu hoch dosiert«, murmelte Homer.
»Krankenhäuser sind nicht perfekt, man erwartet es nur von ihnen«, sagte Schwester Caroline. »Und Ärzte sind ebenfalls nicht perfekt; sie halten sich nur selber dafür.«
»Richtig«, sagte Homer Wells.
Der Fünfjährige hatte starke Halsschmerzen, als er endlich erwachte, und er würgte einige Zeit drauflos, bevor er etwas Eiskrem durch seinen Hals gleiten lassen und bei sich behalten konnte. Zu den Aufgaben der Hilfspfleger gehörte es, dafür zu sorgen, daß die frisch operierten Kinder nicht an ihrem eigenen Erbrochenen erstickten. Homer erklärte Candy, es sei sehr wichtig, daß ein Kind in halb ätherisiertem Zustand keinerlei Flüssigkeit, wie etwa Erbrochenes, in die Lunge aspiriere oder einatme.
»Aspirieren«, sagte Schwester Caroline. »War dein Vater Arzt, Homer?«
»Nicht direkt«, sagte Homer Wells.
Schwester Caroline stellte Homer dem jungen Dr. Harlow mit der angehenden Ponyfrisur vor; eine steife Haartolle ließ seine Stirn hager erscheinen; ein schlaffer Fries strohfarbener Haare verlieh Dr. Harlow den angespannten Blick von jemand, der dauernd unter einer Hutkrempe hervorlugt.
»O ja, Wells – unser Ätherexperte«, sagte Dr. Harlow abfällig.
»Ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen«, sagte Homer Wells. »Ich habe viel im Spital ausgeholfen.«
»Aber gewiß hast du nie Narkosen verabreicht?« sagte Dr. Harlow.
»Natürlich nicht«, log Homer Wells. Wie Dr. Larch beim Treuhänderausschuß entdeckt hatte, war es besonders befriedigend, unsympathische Leute anzulügen.
»Gib nicht an«, sagte Candy zu Homer, als sie zusammen nach Heart’s Haven zurückfuhren. »Es paßt nicht zu dir, und es könnte deinen Dr. Larch in Schwierigkeiten bringen.«
»Wann habe ich angegeben?« fragte Homer.
»Du hast noch nicht, eigentlich«, sagte Candy. »Tu’s nur nicht, okay?«
Homer schmollte.
»Und schmoll nicht«, sagte Candy zu ihm. »Das paßt auch nicht zu dir.«
»Ich betreibe nur die Politik des Abwartens«, sagte Homer Wells. »Du weißt schon.« Er ließ sie beim Hummerbassin aussteigen; gewöhnlich ging er noch mit ihr hinein und schwatzte mit Ray. Doch Homer irrte sich, wenn er Candys Reizbarkeit für Kälte ihm gegenüber oder etwas anderes hielt als ihre eigene, tiefste Verwirrung.
Sie knallte die Tür zu und marschierte auf seine Seite des Lieferwagens, bevor er wegfahren konnte. Sie gab ihm ein Zeichen, sein Fenster herunterzukurbeln. Dann beugte sie sich zu ihm und küßte ihn auf den Mund, sie riß an seinem Haar, fest – mit beiden Händen, bog seinen Kopf nach hinten –, und dann biß sie ihn ziemlich fest in den Hals. Sie schlug mit dem Kopf gegen den Türrahmen, als sie sich ihm wieder entzog; ihre Augen waren feucht, aber es kamen keine Tränen.
»Glaubst du, ich finde das lustig?« fragte sie ihn. »Glaubst du, daß ich mit dir spiele? Weiß ich denn, ob ich dich will oder Wally?«
Er fuhr zurück zum Spital von Cape Kenneth; er brauchte eine sinnvollere Arbeit als Mäusefangen. Es war wieder die gottverdammte Mäusefangsaison – er haßte es, mit dem Gift zu hantieren!
Er traf gleichzeitig mit einem Matrosen ein, der bei einer Messerstecherei einen Schnitt abgekriegt hatte; es war dort passiert, wo Ray arbeitete – im Marinestützpunkt von Kittery –, und die Kameraden des Matrosen hatten ihn mit einer improvisierten Aderpresse herumkutschiert, bis ihnen die Benzingutscheine ausgingen und sie sich auf dem Weg zu mehreren Krankenhäusern, die viel näher beim Schauplatz des Kampfes lagen als das von Cape Kenneth, verirrten. Der Schnitt in das fleischige Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger des Matrosen ging fast bis zum Handgelenk. Homer half
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