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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sie ihm Lornas Adresse in Bath.
    Auf dem Weg zurück hoffte Melony, daß die Werften sie wieder anheuern und wegen der sogenannten Kriegsanstrengungen die Sachen auf dem Fließband bald mal wieder verändert würden – daß sie sich auf eine etwas andere Aufgabe freuen könnte als die Plazierung von Kugellagerkugeln in schinkenförmige Zahnräder. Bei diesem Gedanken zog sie Lornas Fäustling aus der Tasche von Mrs. Grogans Mantel; sie hatte ihn nicht als Waffe benutzt, aber manche Nacht hatte seine Gegenwart sie getröstet. Und es ist kein gänzlich vergeudetes Jahr gewesen, überlegte Melony grimmig und ließ den Handschuh mit einem schmerzhaften Klatschen auf ihre große Handfläche sausen. Jetzt sind wir zu viert und suchen nach dir, Sonnenstrahl. 
     
    Sie behielten Wally in Texas, ließen ihn aber noch einmal umziehen – in die Lubbock-Pilotenschule (Kaserne 12, D 3). Dort sollte er den November und den Dezember verbringen, aber das Luftwaffen-Corps der Armee hatte versprochen, ihn über Weihnachten nach Hause zu schicken.
    »Bald wieder am Busen meiner Familie!« schrieb er an Candy und Homer und Olive – und sogar an Ray, der seinen Beitrag zu den Kriegsanstrengungen geleistet hatte, indem er sich freiwillig zum Mechaniker-Corps beim Marinestützpunkt in Kittery meldete; Ray baute Torpedos. Er hatte ein paar Jungen am Ort angeheuert, die noch zur Schule gingen und dafür sorgten, daß sein Hummergeschäft nicht unterging. An den Wochenenden arbeitete er an den Vehikeln von Ocean View. Begeistert demonstrierte er Olive und Homer Wells das Gyroskop auf Olives Küchentisch.
    »Bevor ein Kerl den Torpedo begreifen kann«, sagte Ray gern, »muß er das Gyroskop verstehen.« Homer war interessiert, Olive war höflich – und mehr noch, gänzlich abhängig von Ray; wenn er nicht alle Maschinen auf Ocean View reparierte, dann würden, davon war Olive überzeugt, die Äpfel aufhören zu wachsen.
    Candy war meistens wütend – die Kriegsanstrengungen aller anderen schienen sie zu deprimieren. Dabei hatte sie sich freiwillig dienstverpflichtet und ein paarmal als Hilfspflegerin im Spital von Cape Kenneth Überstunden gemacht. Sie fand es »zu privilegiert«, weiter aufs College zu gehen, und es fiel ihr nicht schwer, Homer zu überzeugen, daß auch er sich dienstverpflichten solle – bei seiner Ausbildung konnte er ein nützlicherer Hilfspfleger sein als die meisten anderen.
    »Richtig«, hatte Homer gesagt.
    Homer, der zunächst nur widerwillig in ein Quasi-Krankenhausleben zurückgekehrt war, fühlte sich dort bald wohl; es fiel ihm allerdings manchmal schwer, seine fachliche Auffassung zu manchen Themen zurückzuhalten und den Anfänger zu spielen in einer Rolle, für die er auf so beunruhigende Weise geboren zu sein schien. Den Hilfspflegern gegenüber waren sogar die Schwestern herablassend, und empört nahm Homer zur Kenntnis, daß die Ärzte zu jedermann herablassend waren – am allermeisten zu ihren Patienten.
    Candy und Homer durften weder Spritzen noch Medikamente geben, doch sie hatten mehr zu tun, als Betten zu machen und Bettpfannen zu leeren, Rücken zu massieren und Bäder einzulassen und all die mildtätigen Handreichungen zu verrichten, die dem modernen Krankenhaus ein unentwegtes Füßegetrappel bescherten. Man trug ihnen beispielsweise Botengänge auf; Homer war von den geburtshilflichen Techniken, die er beobachtete, wenig beeindruckt. Sie konnten Dr. Larchs Arbeit nicht das Wasser reichen, und in manchen Fällen nicht mal seiner eigenen Arbeit. Wenn Dr. Larch schon Homer oft wegen seiner schweren Hand mit dem Äther getadelt hatte, so konnte Homer sich nicht vorstellen, wie der Alte auf die Schwerfälligkeit reagieren würde, mit der in Cape Kenneth Narkosen verabreicht wurden. In St. Cloud’s hatte Homer viele Patientinnen gesehen, die so leicht ätherisiert waren, daß sie während der ganzen Operation ansprechbar blieben; im Erholungsraum von Cape Kenneth wirkten die Patientinnen, wenn sie aus ihrer Ätherbetäubung aufzutauchen versuchten, wie mit dem Knüppel geschlagen – sie schnarchten mit klaffendem Mund, ihre Hände hingen wie tot herab, und bei manchen ließen die völlig erschlafften Wangenmuskeln die Augen halb aufgerissen hervortreten.
    Besonders ärgerte es Homer, zu sehen, wie die Kinder betäubt wurden – als ob die Ärzte und Anästhesisten noch nie davon gehört hätten, daß sie das Körpergewicht des Patienten in Betracht ziehen müssen.
    Eines Tages saßen er und

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