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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sollte Candy später sagen – und besonders erfreut, daß er sein Offizierspatent erhalten hatte.
    »Leutnant Worthington!« stellte Wally sich Olive vor. Alle weinten, sogar Ray.
    Wegen der Benzinrationierung konnten sie nicht wie üblich in der Gegend umherfahren. Homer fragte sich, wann Wally mit Candy wohl allein sein wollte und wie sie das schaffen würden. Gewiß will er es schaffen, dachte Homer. Wollte sie ebenfalls? fragte er sich.
    Am Weihnachtsabend kamen alle zusammen. Und am Weihnachtstag konnte man nirgendwohin; Olive blieb zu Hause, und Ray baute keine Torpedos und zog keine Hummerreusen auf. Und am zweiten Weihnachtstag mußten Candy und Homer Wally nach Boston zurückbringen.
    Oh, Candy und Wally umarmten und küßten sich viel – das sah jeder. Am Weihnachtsabend in Wallys Schlafzimmer merkte Homer, daß er vor lauter Freude über das Wiedersehen mit Wally gar nicht groß gemerkt hatte, daß dies bereits sein zweites Weihnachtsfest fort von St. Cloud’s war. Er merkte auch, daß er vergessen hatte, Dr. Larch etwas zu schicken – nicht mal eine Weihnachtskarte.
    »Ich muß noch mehr Flugstunden hinter mich bringen«, sagte Wally, »aber ich glaube, für mich wird es nach Indien gehen.«
    »Indien«, sagte Homer Wells.
    »Die Birma-Route«, sagte Wally. »Um von Indien nach China zu kommen, muß man über Birma fliegen. In Birma sind die Japsen.«
    Homer Wells hatte die Landkarten in der High-School von Cape Kenneth studiert. Er wußte, daß Birma aus Bergen und Dschungeln bestand. Wenn man im Flugzeug abgeschossen wurde, gab es viele Möglichkeiten, wo man landen konnte.
    »Wie steht es mit Candy?« fragte Homer.
    »Großartig!« sagte Wally. »Na, ich werde es morgen sehen«, fügte er hinzu.
    Ray machte sich frühmorgens auf den Weg, um Torpedos zu bauen, und Homer stellte fest, daß Wally ungefähr um die gleiche Zeit aus Ocean View aufbrach, wie Ray nach Kittery verschwand. Homer verbrachte den frühen Morgen damit, Olive, so gut es ging, zu trösten. »Achtundvierzig Stunden, das nenne ich kein Nach-Hause-Kommen«, sagte sie. »Er ist ein Jahr lang nicht hier gewesen – nennt er das einen richtigen Besuch? Nennt die Armee das einen richtigen Besuch?«
    Candy und Wally kamen Homer kurz vor Mittag abholen. Homer dachte sich, daß sie es »geschafft« hatten. Aber wie soll man solche Dinge wissen, ohne zu fragen?
    »Soll ich fahren?« fragte Homer; er hatte den Platz am Fenster, Candy saß zwischen ihnen.
    »Warum?« fragte Wally.
    »Vielleicht wollt ihr Händchen halten«, sagte Homer. Candy sah ihn an.
    »Wir haben schon Händchen gehalten«, sagte Wally lachend. »Aber, jedenfalls, vielen Dank!«
    Candy scheint das gar nicht komisch zu finden, dachte Homer.
    »Also habt ihr’s getan, ja?« fragte Homer sie beide.
    Candy schaute geradeaus, und Wally lachte diesmal nicht.
    »Was soll das, alter Junge?« fragte er.
    »Ich sagte: ›Also habt ihr’s getan?‹ – Sex gemacht, meine ich«, sagte Homer Wells.
    »Gott, Homer«, sagte Wally. »Das ist eine nette Frage.«
    »Ja, wir haben es getan – Sex gemacht«, sagte Candy und starrte weiter vor sich hin.
    »Ich hoffe, ihr wart vorsichtig«, sagte Homer zu den beiden. »Ich hoffe, ihr habt irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen getroffen.«
    »Gott, Homer!« sagte Wally.
    »Ja, wir waren vorsichtig«, sagte Candy. Jetzt starrte sie ihn aus denkbar unbeteiligten Augen an.
    »Na, ich bin froh, daß ihr vorsichtig wart«, sagte Homer direkt zu Candy. »Du solltest vorsichtig sein – beim Sex mit jemand, der im Begriff steht, über Birma zu fliegen.«
    »Birma?« Candy wandte sich zu Wally. »Du hast nicht gesagt, wohin du gehst«, sagte sie. »Ist es Birma?«
    »Ich weiß nicht, wohin ich gehe«, sagte Wally gereizt. »Gott, Homer, was ist los mit dir?«
    »Ich liebe euch beide«, sagte Homer Wells. »Ich liebe euch, ich habe ein Recht, alles zu fragen, was ich will – ich habe ein Recht, alles zu wissen, was ich wissen will.«
    Damit war, wie man in Maine sagt, das Gespräch wirklich tot. Sie schwiegen beinah den ganzen Weg nach Boston, nur daß Wally – der spaßig zu sein versuchte – sagte: »Homer, du wirst so philosophisch.«
    Es wurde ein schroffes Lebewohl. »Ich liebe euch ebenfalls beide – das wißt ihr«, sagte Wally beim Abschied.
    »Ich weiß«, sagte Homer.
    Auf dem Weg nach Hause sagte Candy zu Homer Wells: »Ich würde nicht ›philosophisch‹ sagen; ich würde sagen: exzentrisch. Du wirst sehr exzentrisch, finde ich. Und du

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