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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ihn.
    Schwester Edna war bei Candy, während Schwester Angela Dr. Larch schrubbte. Homer Wells hatte bereits seine Maske angelegt, als er einen Tumult aus dem Schlafsaal der Jungen hörte. Er ließ die Maske an, als er nachsehen ging. Einer der John Larchs oder der Wilbur Walshs war aufgestanden und hinausgelaufen, um gegen eine Mülltonne zu pinkeln – mit beträchtlichem Lärm. Dies wiederum hatte einen großen Waschbären gestört, der sich am Müll zu schaffen machte, und der Waschbär hatte den pinkelnden Waisenknaben so sehr erschreckt, daß er sich den Pyjama naß machte. Homer versuchte dies ruhig in Ordnung zu bringen; er wollte zurück in den Entbindungssaal.
    »Drinnen pinkeln ist besser bei Nacht«, bemerkte er zu dem Schlafsaal insgesamt. »Candy bekommt jetzt ihr Baby.«
    »Was wird sie bekommen?« fragte einer der Jungen.
    »Entweder einen Jungen oder ein Mädchen«, sagte Homer Wells.
    »Welchen Namen wirst du ihm geben?« fragte ein anderer.
    »Schwester Angela hat mir einen Namen gegeben«, sagte Homer Wells.
    »Mir auch«, sagten mehrere von ihnen.
    »Wenn es ein Mädchen ist, will ich sie Angela nennen«, sagte Homer Wells.
    »Und wenn es ein Junge ist?«
    »Wenn es ein Junge ist, will ich ihn Angel nennen«, sagte Homer. »Das ist eigentlich genau wie Angela, ohne das letzte A.«
    »Angel?« fragte irgendeiner.
    »Richtig«, sagte Homer Wells und gab ihnen allen einen Gutenachtkuß.
    Als er ging, fragte ihn einer: »Und wirst du es hier lassen?«
    »Nein«, sagte Homer Wells murmelnd, da er seine Maske wieder heraufgezogen hatte.
    »Was?« riefen die Waisen.
    »Nein«, sagte Homer deutlicher und nahm die Maske ab.
    Es war heiß im Entbindungssaal. Das warme Wetter war unverhofft gekommen; weil niemand die Fliegengitter angebracht hatte, weigerte sich Larch, ein Fenster zu öffnen.
    Als sie erfuhr, daß das Kind – so oder anders – nach ihr benannt werden würde, weinte Schwester Angela so sehr, daß Larch darauf bestand, daß sie eine frische Maske anlegte. Schwester Edna war zu klein, um an die Schweißperlen auf Larchs Stirn dranzukommen. Sie übersah einige davon. Als der Kopf des Babys austrat, taufte ein Tropfen von Larchs Schweiß das Kind mitten auf seine Schläfe – buchstäblich bevor es ganz geboren war –, und Homer Wells fühlte sich unwillkürlich an David Copperfield erinnert, der mit einem »Hautnetz«, einer Glückshaube, geboren worden war.
    Als die Schultern nicht rasch genug folgten, um Larch zufriedenzustellen, nahm er das Kinn und das Nackengrübchen in beide Hände und zog den Säugling abwärts, bis er mit einer einzigen Aufwärtsbewegung die hintere Schulter zuerst auf die Welt holte. Homer Wells, der sich in die Lippe biß, nickte beifällig, als die vordere Schulter – und der Rest des Kindes – folgte.
    »Es ist ein Angel!« verkündete Schwester Edna Candy, die immer noch ein Ätherlächeln lächelte. Schwester Angela, die eine frische Maske durchfeuchtet hatte, mußte sich abwenden.
    Erst nachdem die Plazenta ausgetrieben war, sagte Dr. Larch, wie er es manchmal sagte: »Perfekt!« Dann, und das hatte er noch nie getan, küßte er Candy – wenn auch durch seine Maske – mitten zwischen ihre weit offenen ätherbefreiten Augen.
    Am nächsten Tag schneite und schneite es – ein wütender Aprilschneesturm, der den Winter nicht fahrenlassen wollte –, und Homer betrachtete seine neu gepflanzten Apfelbäume mit Sorge; die zerbrechlichen, schneebedeckten Bäumchen erinnerten ihn an die glücklosen Gänse, die auf dem Mühlenteich eine verfrühte Landung versucht hatten.
    »Hör auf, dich um die Bäume zu sorgen«, sagte Wilbur Larch. »Sie sind jetzt auf sich selbst angewiesen.«
    Das war auch Angel Wells – acht Pfund, sieben Unzen, und weder eine Waise noch eine Abtreibung. 
     
    Eine Woche vor Maibeginn gab es immer noch zu viel Schnee in St. Cloud’s, als daß es schon ein Matschwetter gewesen wäre. Homer Wells hatte die einzelnen Zweige eines jeden seiner Apfelbäumchen geschüttelt; und Mäusespuren um einen besonders verletzlich aussehenden Winter-Banana-Baum hatten ihn veranlaßt, Gifthafer und Giftmais zu streuen. Jeder Baum hatte eine Metallmanschette um seinen schlanken Stamm. Hirsche hatten bereits die Reihe der Macintoshs angeknabbert, die nah am Wald gepflanzt waren. Homer legte tiefer im Wald eine Salzlecke für die Hirsche aus, in der Hoffnung, das Salz möge sie dort zurückhalten.
    Candy stillte Angel, dessen schorfiger Rest einer

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