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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Abend vor Muttertag, als sie die Stöcke ausbrachten. Alle dachten an den Muttertag dieses Jahr; niemand hatte Olive vergessen. Das Haus war voll von kleinen Geschenken, überall standen Krüge mit blühenden Apfelbaumzweigen, und sogar Homer hatte ein Muttertagsgeschenk bekommen – so spaßig fanden sie es, daß er ein Baby adoptiert hatte.
    »Stell dir nur vor, du mit deinem ganz eigenen Baby!« Dies war die Art, wie Big Dot Taft es ausdrückte.
    Im Apfelmarkt, wo man den Schautischen einen neuen Farbanstrich gab, waren zwei Babys zur Schau gestellt – Angel Wells und Pete, der Junge von Florence und Meany Hyde. Pete Hyde sah aus wie eine Kartoffel, verglichen mit Angel Wells – was besagen soll, daß seine Miene völlig ausdruckslos war und daß er offenbar in seinem Gesicht keine Knochen hatte.
    »Na, Homer, dein Angel ist ein Engel«, pflegte Florence Hyde zu sagen, »und mein Pete ist ein Pete.«
    Die Apfelmarktfrauen hänselten ihn ohne Ende; Homer lächelte nur. Debra Pettigrew zeigte besonderes Interesse, mit Angel Wells zu hantieren; sie pflegte dem Baby die längste Zeit aufmerksam ins Gesicht zu schauen, bevor sie verkündete, daß sie sicher sei, das Baby werde einmal genauso aussehen wie Homer. »Nur aristokratischer«, vermutete sie. Drück-mich-Louise sagte, das Baby sei »zu schön für große Worte«. Wenn Homer draußen im Garten war, kümmerten sich entweder Olive oder eine der Apfelmarktfrauen um Angel, doch die meiste Zeit kümmerte sich Candy um ihr Baby.
    »Irgendwie haben wir ihn zusammen adoptiert«, pflegte sie zu erklären. Sie sagte es so oft, daß Olive sagte, Candy sei ebenso eine Mutter für dieses Kind, wie Homer es sei, und darum machte Olive – als eine Art Scherz – Candy ebenfalls ein Muttertagsgeschenk. Unterdessen taten die Bienen ihre Arbeit, schleppten Pollen von der Frying-Pan zum Cock Hill, und der Honig leckte zwischen den Schindeln hervor, die die Bienenstöcke bargen.
    Eines Morgens entdeckte Homer Wells Olives Handschrift am Zeitungsrand – eine bleistiftgekritzelte Anmerkung zu den Schlagzeilen des Tages, deren jede Olive zu ihrem Kommentar veranlaßt haben mochte. Aber irgendwie glaubte Homer, diese Anmerkung gelte ihm.
unerträgliche Unaufrichtigkeit 
    hatte Olive geschrieben.
    Und eines Abends hörte Candy zufällig Ray. Ihr Schlafzimmerlicht war aus; in der pechschwarzen Dunkelheit hörte sie ihren Vater sagen: »Es ist nicht falsch, aber es ist nicht richtig.« Zuerst dachte sie, er wäre am Telephon. Nachdem sie wieder in Schlaf gesunken war, weckte sie das Geräusch ihrer sich öffnenden und schließenden Tür noch einmal, und sie erkannte, daß Ray bei ihr in ihrem Zimmer gesessen und sie angesprochen hatte – im Schlaf, in der Dunkelheit.
    Und manche Nächte während der Blütezeit pflegte Candy zu Homer zu sagen: »Du bist ein geplagter Vater.«
    »Das ist er, nicht wahr?« pflegte Olive bewundernd zu sagen.
    »Ich werde dir den Kleinen über Nacht abnehmen«, pflegte Candy zu sagen, und Homer pflegte zu lächeln bei aller Gespanntheit solcher Wortwechsel. Er pflegte allein aufzuwachen in Wallys Zimmer, in der Erwartung, daß Angel nach seinem Fläschchen verlangte. Er konnte sich vorstellen, wie Raymond Kendall aufstand, um die Milch zu wärmen, und wie Candy in ihrem Bett lag, das Milchfläschchen in einem annähernd so richtigen Winkel zu ihrer Brust, wie sie es nur bewerkstelligen konnte.
    Rays Torpedoteile waren aus dem Marinestützpunkt von Kittery geklaut.
    Homer und Candy wußten beide, wie er sie beschafft hatte, aber nur Candy tadelte Ray deswegen.
    »Ich habe denen schon mehr Fehler bei diesen Dingern nachgewiesen, als sie bisher überhaupt gebaut haben«, sagte Ray. »Sehr unwahrscheinlich, daß sie mich ertappen.«
    »Aber wofür eigentlich?« fragte Candy ihren Vater. »Es gefällt mir nicht, daß wir eine Bombe hier haben – besonders, wo wir ein Baby im Haus haben.«
    »Na, als ich den Torpedo ins Haus holte«, erklärte Ray, »wußte ich nichts von dem Baby.«
    »Na, jetzt weißt du es«, sagte Candy. »Feuere ihn doch ab, auf irgend etwas – irgend etwas weit Entferntes.«
    »Wenn er fertig ist, werde ich ihn abfeuern«, sagte Ray.
    »Auf was wirst du ihn abfeuern?« fragte Homer Raymond Kendall.
    »Ich weiß nicht«, sagte Ray. »Vielleicht auf den Haven-Club – das nächste Mal, wenn sie mir sagen, daß ich ihre Aussicht verschandele.«
    »Es gefällt mir gar nicht, daß ich nicht weiß, wofür du etwas machst«, sagte Candy zu

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