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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Glas Milch und aßen Apfelkuchen. Manchmal, wenn es warm war, hockten sie am Swimmingpool, ohne einander zu berühren; für jeden Beobachter hätte der Abstand zwischen ihnen auf einen Streit hingedeutet (dabei stritten sie nur selten) oder aber auf Gleichgültigkeit (doch gleichgültig waren sie sich nie). Die Art, wie sie am Pool saßen, erinnerte sie beide daran, wie sie einst auf Ray Kendalls Anlegesteg gesessen hatten, bevor sie näher beieinandergesessen hatten. Wurde es ihnen einmal allzu bewußt, daß sie sich daran erinnerten oder daß sie diesen Steg vermißten oder Ray (der gestorben war, bevor Angel alt genug war, um sich an ihn zu erinnern) – dann konnte ihnen das den Abend am Swimmingpool verderben, und es trieb sie zurück in ihre getrennten Schlafzimmer, wo sie dann noch ein wenig länger wach lagen.
    Als Angel Wells älter (und beinah so schlaflos wie sein Vater) wurde, sah er Homer und Candy oft am Swimmingpool sitzen, den auch er aus seinem Fenster sehen konnte. Wenn Angel sich je etwas dachte dabei, daß die beiden dort draußen saßen, dann nur, warum so alte Freunde so weit auseinander saßen.
    Raymond Kendall war kurz nach Wallys und Candys Hochzeit gestorben. Er kam ums Leben, als das Hummerbassin in die Luft flog; seine ganze Anlage wurde in Stücke gerissen, sein Hummerboot sank, und die zwei alten Schrotthaufen von Autos, an denen er arbeitete, wurden durch die Explosion gute fünfundzwanzig Meter über seinen Parkplatz und die Küstenstraße hinuntergeschleudert – als rollten sie aus eigener Kraft. Sogar das Panoramafenster im Haven-Club wurde durch die Detonation eingedrückt. Es geschah allerdings so spät in der Nacht, daß die Bar geschlossen und keiner der Stammgäste des Haven-Club mehr anwesend war, um mit anzusehen, wie dieser liebgewonnene Dorn im Auge aus ihrem Blick über den Hafen von Heart’s Haven getilgt wurde.
    Ray hatte an seinem selbstgebastelten Torpedo herumgebastelt; trotz all seiner legendären technischen Genialität mußte er etwas an dem Torpedo entdeckt haben, was er nicht kannte. Das Unglück eines geliebten Menschen kann die eigene Schuld an den Tag bringen; Candy bedauerte, daß sie ihrem Vater nichts von Homer und Angel Wells erzählt hatte. Daß Ray vermutlich alles längst gewußt hatte, konnte sie nicht trösten; sie hatte seinem Schweigen entnehmen können, daß er es von ihr hören wollte. Aber nicht einmal der Tod ihres Vaters konnte Candy Kendall veranlassen, irgend jemandem ihre Geschichte zu erzählen.
    Auf der Küstenstraße Richtung Süden hatten bis zu Powells Eisdiele tote Hummer gelegen, und der Parkplatz und die Straße waren mit Hummerbruchstücken übersät. Das hatte Herb Fowler (der nie um eine witzige Bemerkung verlegen war) veranlaßt, den alten Mr. Powell zu fragen, ob er nicht eine neue Eiscremesorte erfinden wolle.
    Herb hatte den Sommer abgewartet, in dem Angel Wells fünfzehn wurde, bis er Angel seinen ersten Gummi zuschnippte. Angel war etwas beleidigt, weil Herb ihn nicht früher eingeweiht hatte. Angels Kumpel und Kollege, der pummelige Pete Hyde, war nur ein paar Monate älter als Angel (und in mancherlei Hinsicht nicht annähernd so erwachsen), und Angel wußte, daß Herb Fowler Pete Hyde einen Gummi an den Kopf geworfen hatte, als Pete erst dreizehn war. Angel hatte aber offenbar noch nicht herausgefunden, daß Pete Hyde zur großen Familie der Belegschaft von Ocean View gehörte, während er, Angel – obwohl er mit der Belegschaft arbeitete – zur Familie des Bosses gehörte.
    Die Arbeiter wußten, daß Homer Wells Ocean View leitete. Er war derjenige, der die meiste Verantwortung übernahm. Olive hätte das nicht überrascht, und Candy und Wally waren offensichtlich dankbar für Homers Autorität. Die Arbeiter waren über Homers Herkunft aus St. Cloud’s im Bilde und hatten vielleicht deshalb das Gefühl, daß er ihnen näherstand; er wohnte zwar, wie Big Dot Taft sagte, im »Puppenhaus«, aber er war einer von ihnen. Keiner der Arbeiter hatte etwas dagegen, daß Homer der Boss war, möglicherweise mit Ausnahme von Vernon Lynch, der alle und jede Autorität ablehnte – erst recht, seit Grace Lynch gestorben war.
    Candy, die sich um die Angelegenheiten der Arbeiterfrauen kümmerte, entdeckte, daß Grace schwanger gewesen war; sie starb an akuter Peritonitis im Anschluß an einen fehlgeschlagenen Versuch, selbst abzutreiben. Homer, der sich oft fragte, warum sie sich nicht zu einer zweiten Reise nach St. Cloud’s

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