Gottes Werk und Teufels Beitrag
nicht singen; sie gab Tom Mix den Vorzug vor allen. Obwohl sie den einsamen Ranger verabscheute, hatte sie eine Schwäche für Tonto – wie für alle Sonderlinge der Welt.
»Und wem werden wir den Weg abschneiden?« fragte Schwester Caroline aggressiv.
»Und Sie!« sagte Dr. Larch zu Schwester Caroline und deutete mit dem Finger auf sie. »Sie sind mein erster Colt. Sie werden den Finger am Abzug haben. Sie feuern den ersten Schuß.«
Mrs. Grogan fürchtete um ihren Verstand und war zugleich überzeugt, daß Larch den seinen endgültig verloren hatte. Schwester Angela glaubte, daß Larch schon seit langem aus der Balance war. Schwester Edna liebte ihn so sehr, daß sie ihn nicht beurteilen konnte. Schwester Caroline verlangte, die nackten Tatsachen zu sehen.
»Okay«, sagte Schwester Caroline. »Fangen wir ganz vorne an. Auf wen werde ich schießen?«
»Sie werden mich ins Kittchen bringen«, sagte Larch zu ihr. »Sie werden mich verpfeifen – uns alle hier.«
»So etwas werde ich nicht tun!« sagte Schwester Caroline.
Sehr geduldig erklärte er es ihnen. Es war so einfach – für ihn war es einfach, weil er es sich seit Jahren ausgedacht hatte. Nicht ganz so einfach war es für die anderen, und er mußte sie sehr langsam hinführen – über die Stufen zu ihrem Heil.
Sie mußten annehmen, daß Melony den Fragebogen beantworten würde. Sie mußten glauben, daß ihre Antwort negativ sein würde – nicht weil Melony unbedingt negativ wäre, wie Larch Mrs. Grogan erläuterte (die sie verteidigen wollte), sondern weil Melony wütend war. »Sie wurde wütend geboren, sie wird immer wütend sein, und selbst wenn sie uns nichts Böses will, wird sie eines Tages – über irgend etwas, über alles – so wütend sein, daß sie den Fragebogen beantwortet. Und sie wird sagen, was sie weiß«, fügte Larch hinzu, »denn was immer Melony sein mag, eine Lügnerin ist sie nicht.«
Darum, so führte er aus, wolle er, daß der Ausschuß zuerst von jemand anderem erfahre, daß er ein Abtreiber sei. Nur so wären sie alle zu retten. Schwester Caroline sei die logische Verräterin; sie sei jung, relativ neu, habe länger mit ihrem Gewissen gerungen und schließlich beschlossen, daß sie nicht länger schweigen könne. Mrs. Grogan und die älteren Krankenschwestern seien tyrannisiert worden, die Autorität eines Arztes als absolut hinzunehmen; Schwester Caroline würde behaupten, daß sie nicht zu tadeln wären. Schwester Caroline aber stelle Autoritätsfiguren jeglicher Gesellschaft grundsätzlich in Frage. Sie würde ihren Protest als eine Sache der Frauenrechte vortragen – nämlich, daß nicht einmal Krankenschwestern sich von Ärzten tyrannisieren lassen sollten; daß es, wenn ein Arzt das Gesetz übertrat, auch wenn es nicht die Aufgabe einer Schwester war, sich gegen ihn aufzulehnen, dennoch ihr Recht und ihre moralische Pflicht sei, ihn anzuzeigen. Larch war sich sicher, daß diese Sache mit der »moralischen Pflicht« Mrs. Goodhall gefallen würde – Mrs. Goodhall litt zweifellos an der Illusion, daß ihre moralischen Pflichten die Fixsterne ihres Lebens wären, und Dr. Larch glaubte, daß es die erdrückende Last dieser Pflichten sei, die sie zu einer so bitteren, freudlosen Frau gemacht hatte.
Schwester Edna und Schwester Angela lauschten Larch wie junge Vögelchen, die auf die Rückkehr der Eltern zum Nest warten; ihre Köpfe waren zwischen ihre Schultern eingezogen, ihre Gesichter waren emporgehoben, und ihre Münder formten lautlos die Worte nach, die sie Larch sprechen hörten – wie in Erwartung zu schluckender Würmer.
Mrs. Grogan wünschte, sie hätte ihr Strickzeug mitgebracht; wenn dies hier eine Versammlung war, so wollte sie nie wieder an einer teilnehmen. Doch Schwester Caroline begann zu verstehen: Sie hatte im Grunde ein mutiges und ein grundsätzlich politisches Gewissen; und nachdem sie in dem Ausschuß einmal ihren Feind erkannt hatte, war sie ganz Ohr für ihren Kommandanten, der so eifrig die Niederlage selbigen Ausschusses ausgeheckt hatte. Es war eine Art Revolte, und für die Revolution war Schwester Caroline jederzeit zu haben.
»Außerdem«, klärte Larch sie auf, »müssen Sie ein paar Punkte beim rechten Flügel des Ausschusses gutmachen; man hat Sie dort rosa gefärbt. Jetzt färben Sie sich christlich. Man wird Ihnen am Ende nicht nur verzeihen, man wird Ihnen sogar eine Beförderung antragen wollen. Man wird wollen, daß Sie die Verantwortung übernehmen.«
»Und Sie«, sagte
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