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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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flackernde Raum voller Apfelpflücker.
    »Er ist alt genug, um sich einen runterzuholen, er ist alt genug, um zu wissen, wozu Autokinos da sind – ich glaube, er ist alt genug dafür«, sagte Homer Wells.
    »Werde nicht plump«, sagte Candy.
    »Tut mir leid«, sagte er abermals.
    »Es gibt immer so viel zu tun während der Ernte«, sagte Candy; sie zupfte an ihrem weißen Sommerkleid, als wären dort Fusseln (dabei war es fleckenlos rein), und Homer Wells erinnerte sich, daß Senior Worthington diese Angewohnheit gehabt hatte – daß es in Seniors Fall ein Symptom der Alzheimerschen Krankheit gewesen war und daß Dr. Larch sogar den Namen gewußt hatte für das Symptom. Wie nannten es die Neurologen? versuchte Homer sich zu erinnern.
    »Wir werden also warten und es ihnen nach der Ernte sagen«, sagte Homer. »Wir haben fünfzehn Jahre gewartet. Ich schätze, wir können noch weitere sechs Wochen warten.«
    Sie streckte sich auf dem schmalen Bett aus, als sei sie ein kleines Mädchen und warte darauf, in einem fremden Land zu Bett gebracht zu werden und ihren Gutenachtkuß zu bekommen. Er ging zu dem Bett und setzte sich steif auf die Kante, neben ihre Hüfte, und sie legte die Hand auf sein Knie. Er barg ihre Hand unter seiner Hand.
    »Oh, Homer«, sagte sie, doch er wollte sich nicht umdrehen und sie ansehen. Sie nahm seine Hand und führte sie unter ihr Kleid und überließ sich seiner Berührung; sie hatte nichts an unter dem Kleid. Er zog seine Hand nicht fort, aber er ließ sie wie ein lebloses Gewicht auf ihr liegen, mehr nicht. »Was stellst du dir vor, was passieren wird?« fragte sie ihn kühl – nachdem sie erkannt hatte, daß seine Hand nur leblos dalag.
    »Ich kann mir gar nichts vorstellen«, sagte er.
    »Wally wird mich hinauswerfen«, sagte Candy sanft und ohne Selbstmitleid.
    »Wird er nicht«, sagte Homer. »Und wenn er es täte, ich täte es nicht – dann wärst du bei mir. Das ist der Grund, warum er’s nicht tun wird.«
    »Was wird Angel tun?« fragte Candy.
    »Was er will«, sagte Homer. »Ich denke, er wird je nachdem, was er will, mal bei dir sein und mal bei mir.« Dieser Teil war schwer zu sagen – und noch schwerer, sich vorzustellen.
    »Er wird mich hassen«, sagte Candy.
    »Das wird er nicht«, sagte Homer Wells.
    Sie stieß seine Hand fort, und er nahm das leblose Ding zurück auf seinen eigenen Schoß; im nächsten Moment fand ihre Hand abermals sein Knie, und er hielt ihre Hand leicht dort fest – am Handgelenk, als fühle er ihren Puls. Zu seinen Füßen kauerte die schäbige Arzttasche, voller Äpfel und wie eine Katze auf der Lauer; in dem flackernden Raum wirkte die Arzttasche wie der einzige natürliche Gegenstand – diese Tasche sah aus, als sei sie zu Hause, wohin immer man sie mitnahm; es war eine Tasche, die genau dorthin gehörte, wo immer sie gerade war.
    »Wohin wirst du gehen?« fragte ihn Candy nach einer Weile.
    »Werde ich irgendwohin gehen müssen?« fragte er zurück.
    »Ich denke schon«, sagte Candy.
    Homer Wells versuchte sich das alles vorzustellen, als er das Auto hörte. Candy mußte es im selben Moment gehört haben, denn sie setzte sich auf und blies die Kerze aus. Sie saßen und hielten einander umfangen auf dem Bett und lauschten auf das Auto, das sich ihnen näherte.
    Es war ein altes Auto, vielleicht auch nicht besonders gut in Schuß; die Ventile klopften, und anscheinend war das Auspuffrohr locker und klapperte. Der Wagen war schwer und lag tief; sie hörten ihn über die hoch gewölbte Schotterstraße durch den Obstgarten schrammen, der Fahrer mußte vertraut sein mit dem Weg, denn die Scheinwerfer waren nicht eingeschaltet – deswegen hatte er so nah kommen können, ohne daß sie es bemerkten.
    Candy beeilte sich, das Bett abzuziehen; in der Dunkelheit faltete sie Decken und Laken wahrscheinlich nicht sehr ordentlich wieder zusammen, und Homer mußte ihr helfen, die Matratze aufzurollen.
    »Es ist Wally!« flüsterte Candy, und wirklich hörte sich das Auto an wie der Cadillac, der (seit Raymond Kendalls Tod) eine verstellte Zündung hatte. Tatsächlich, so erinnerte sich Homer, war der Auspufftopf des Cadillac locker, und die Ventile an seinem überholten Motor mußten schon wieder nachgestellt werden. Für den Einsatz auf den holprigen Schotterstraßen, die sich durch die Obstgärten schlängelten, war das Auto eigentlich zu schwer und zu flach gebaut.
    Aber wie hatte Wally es bloß fertiggebracht? fragte sich Homer Wells. Wally hätte

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