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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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kriechen müssen zu dem Cadillac (Homer hatte ihn eigenhändig hinter einem der Lagerschuppen geparkt, wo die Straße viel zu steinig und uneben war für den Rollstuhl).
    »Vielleicht ist es ein Junge aus dem Ort«, flüsterte Homer Candy zu.
    Einige Jugendliche aus dem Ort kannten das Ciderhaus; in den Straßen im Obstgarten hatte sich schon so manches Liebespaar vergnügt.
    Das schwere Auto rollte direkt vor die Ciderhauswand. Candy und Homer spürten, wie die Stoßstange gegen das Gebäude stieß.
    »Es ist Wally!« flüsterte Candy; warum sollte sich ein Junge aus dem Ort die Mühe machen, so nah zu parken? Der Motor klopfte noch eine Weile, nachdem die Zündung abgestellt war. Und dann war da dieses Schwirren der Motorhitze aus dem schweren Auto, während es zur Ruhe kam.
    Homer ließ Candy los; er stolperte über die Arzttasche, als er zur Tür springen wollte, und Candy fing ihn auf und zog ihn wieder zurück zu sich.
    »Ich werde ihn nicht hier herein kriechen lassen«, sagte Homer zu ihr, aber Candy konnte sich nicht überwinden, aus der dunkelsten Ecke des Ciderhauses hervorzukommen.
    Homer hob die Arzttasche auf und tappte in die dunkle Küche; seine Hand tastete nach dem Lichtschalter und streifte seine neue Liste von Spielregeln. Er hatte die Autotür nicht aufgehen hören, aber plötzlich hörte er leise Stimmen; er hielt inne, die Hand auf dem Lichtschalter. Oh, Wally, das ist nicht fair! dachte er; wenn da Stimmen waren, dann mußte Wally Angel mitgebracht haben. Das mochte es leichter gemacht haben für Wally, zum Cadillac zu gelangen – Angel konnte das Auto herübergebracht haben für ihn. Aber ungeachtet der Qual, die auf Wally lastete, war Homer wütend auf seinen Freund, weil er Angel da hineingezogen hatte. Nur, war Angel nicht ohnehin hineingezogen? fragte sich Homer. (Jetzt schalteten sie die Scheinwerfer ein – um den Weg zur Tür zu beleuchten?)
    So hatte Homer sich die Situation nicht vorgestellt, in der er es ihnen beiden sagen wollte, doch was zählte das schon? Homer Wells schaltete das Licht an, das ihn zeitweilig blendete. Er dachte, er müsse beleuchtet dastehen wie ein Weihnachtsbaum in der Ciderhaustür. Und paßte es denn nicht, daß es der Cadillac gewesen war, der ihn gerettet hatte aus St. Cloud’s, und da war er wieder, der Cadillac – irgendwie gekommen, um ihn abermals zu erretten? Denn hier stand er, die abgewetzte Arzttasche in der Hand und endlich bereit, die Wahrheit zu sagen – bereit endlich, seine Medizin zu schlucken.
    In dem strahlenden Licht zupfte er imaginäre Fusseln von seinen Kleidern. Jetzt fiel es ihm wieder ein, wie die Neurologen das nannten: Karphologie.
    Er lockerte seinen Griff um Dr. Larchs Tasche und spähte in die Dunkelheit. Plötzlich war es ihm klar – wohin er gehen würde. Er war nur, was er immer gewesen war: eine Waise, die niemals adoptiert worden war. Es war ihm gelungen, sich ein wenig Zeit zu stehlen, fort vom Waisenhaus, aber den einzigen legitimen Anspruch auf ihn hatte St. Cloud’s. Um die Vierzig sollte ein Mann wissen, wo er hingehört. 
     
    Dr. Larch begann wieder einen Brief an Harry Truman, bevor er sich erinnerte, daß Eisenhower nun seit ein paar Jahren Präsident war. Er hatte mehrere Briefe an Roosevelt geschrieben, nachdem Roosevelt gestorben war, und er hatte noch viele mehr an Eleanor geschrieben, aber die Roosevelts hatten niemals zurückgeschrieben. Auch Harry Truman hatte niemals zurückgeschrieben, und Larch konnte sich nicht erinnern, ob er auch an Mrs. Truman geschrieben hatte oder an Trumans Tochter – wer immer es sein mochte, er oder sie hatte nicht geantwortet.
    Er versuchte, beim Gedanken, an Eisenhower zu schreiben, nicht deprimiert zu werden; er versuchte sich zu erinnern, wie er den letzten begonnen hatte. »Verehrter Herr General«, hatte er begonnen, aber weiter konnte er sich nicht mehr erinnern; er hatte etwas darüber gesagt, daß er Arzt gewesen sei bei den »Truppen« im Ersten Weltkrieg – er hatte sich irgendwie herangeschlichen an sein eigentliches Thema, eine Art Flankenmanöver. Vielleicht war es an der Zeit, es mit Mrs. Eisenhower zu versuchen. Doch als Larch »Liebe Mamie« schrieb, kam er sich selbst lächerlich vor.
    Ach, was hat es denn für einen Zweck? dachte Larch. Man muß verrückt sein, um wegen der Abtreibung an Eisenhower zu schreiben. Er riß den Brief aus der Schreibmaschine; aus heiterem Himmel beschloß er, der Kopf des Präsidenten gliche dem eines Babys.
    Dann erinnerte

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