Gottes Werk und Teufels Beitrag
Larch und deutete auf Schwester Angela.
»Ich?« sagte Schwester Angela; sie guckte erschreckt, doch Larch wußte, daß sie hervorragend geeignet wäre, um Fuzzy Stone zu empfehlen. Hatte sie ihm nicht seinen Namen gegeben? Und hatte sie es nicht all diese Zeit beinah gewagt, Fuzzy beizuspringen in seinem rechthaberischen Streit mit Dr. Larch? Weil Fuzzy sie alle kannte und sie alle liebte, wußte er auch, was sie brauchten, und seine Ansichten (in bezug auf die Abtreibung) waren in völliger Übereinstimmung mit Schwester Angelas eigenen Ansichten.
»Sind sie das?« sagte Schwester Angela. »Aber ich bin für die Abtreibung!«
»Natürlich sind Sie das!« sagte Larch. »Und wenn Sie wollen, daß Saint Cloud’s weiterhin Abtreibungen anbietet, dann tun Sie lieber so, als stünden Sie auf der anderen Seite. Ihr alle tut lieber so.«
»Wie soll ich denn tun, Wilbur?« fragte Schwester Edna.
»Als sei Ihnen eine große Last von Ihrem Gewissen genommen – dadurch, daß ich aufgeflogen bin«, sagte Larch zu ihr. Vielleicht würde Schwester Ednas Gewissen, wenn Fuzzy Stone heimkehrte, sie endlich schlafen lassen. Und Mrs. Grogan könnte es leichter nehmen mit dem Gebet; vielleicht hätte sie weniger Anlaß zu beten, wenn dieser wunderbar anständige Dr. Stone da wäre.
Nicht, als ob wir alle Dr. Larch nicht bewunderten! sollte Schwester Angela dem Ausschuß sagen. Und nicht, als ob der arme alte Herr nicht an sich glaubte und an das, was er tat – und für wen er es tat. Er sei immer so hingebungsvoll gegenüber den Waisen. Nur eben, daß dieses soziale Problem ihn und seine Urteilskraft überfordert habe. Und wie diese Frage sie alle verwirrt habe! Welchen Tribut sie gefordert habe!
Ja, welchen Tribut, dachte Schwester Edna mit weiterhin offenstehendem Mund und zwischen den Schultern hängendem Kopf – sie war verliebter in ihn denn je. Er war wirklich hingebungsvoll gegenüber seinen Waisen; er würde wirklich alles tun für sie.
»Aber was wird mit Ihnen passieren, Wilbur – wenn wir Sie anzeigen?« fragte Schwester Edna, und eine magere Träne suchte sich ihren schwierigen Weg über ihre faltige Wange.
»Ich bin beinah hundert Jahre alt, Edna«, sagte er sanft. »Ich nehme an, ich werde in den Ruhestand treten.«
»Sie werden nicht fortgehen, ja?« fragte ihn Mrs. Grogan.
»Ich würde nicht sehr weit kommen, wenn ich’s versuchte«, sagte er.
Er war so überzeugend gewesen bezüglich Fuzzy Stones – er hatte ihnen so wunderbare Details vorgetragen –, daß Schwester Caroline als einzige das Problem erkannte.
»Was ist, wenn Homer Wells nicht kommen will und so tun, als wäre er Fuzzy Stone?« fragte sie Dr. Larch.
»Homer gehört hierher«, sagte Schwester Angela, wie auswendig gelernt; daß Homer Wells nach St. Cloud’s gehörte, war (für Schwester Angela) eine so offenkundige Tatsache wie das Wetter – selbst wenn diese Tatsache (für Homer) das Kreuz seines Lebens gewesen war.
»Aber er war immer gegen Schwangerschaftsabbrüche«, erinnerte Schwester Caroline all die alten Leutchen. »Wann haben Sie das letzte Mal mit ihm drüber geredet?« fragte sie Larch. »Ich habe erst kürzlich mit ihm gesprochen, und er ist für Ihr Recht, sie auszuführen – er hat mich hierhergeschickt, um Ihnen zu helfen. Und er ist dafür, daß es legal sein sollte – eine zu bekommen. Er sagt aber auch, daß er persönlich es niemals tun könnte – es ist für ihn wie jemand umbringen. So sieht er es. Und so formuliert er es.«
»Er hat eine beinah perfekte Technik«, sagte Wilbur Larch erschöpft. Wenn Schwester Caroline sie alle so anschaute, dann erschienen sie ihr fast wie Dinosaurier – nicht nur prähistorisch, sondern beinah absichtlich zu groß für diese Welt. Wie könnte der Planet jemals genug Platz bieten für sie? Es war kein sehr sozialistischer Gedanke, doch davon war sie überzeugt, und das Herz sank ihr, während sie sie ansah.
»Homer Wells glaubt, er bringt jemand um«, wiederholte Schwester Caroline.
Während sie sprach, kam sie sich vor, als sei sie persönlich verantwortlich für das Verhungern der Dinosaurier; die alten Leute kamen ihr dürr und schwächlich vor – trotz ihrer Größe.
»Ist die Alternative nur Abwarten?« fragte Schwester Angela.
Niemand antwortete ihr.
»O Herr, steh uns bei diesen Tag, bis die Schatten länger werden und der Abend kommt«, begann Mrs. Grogan leise, aber Dr. Larch wollte sie nicht zu Ende anhören.
»Worin auch immer die Alternative besteht
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