Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
– falls eine existiert – Beten ist es nicht«, sagte er.
    »Für mich war es immer eine Alternative«, sagte Mrs. Grogan trotzig.
    »Dann tun Sie es für sich allein«, sagte er.
    Dr. Larch bewegte sich langsam durch den kleinen Raum. Er überreichte Schwester Angela den Brief an den Ausschuß, den er für sie geschrieben hatte. Er überreichte auch Schwester Caroline ihren Brief.
    »Sie brauchen beide bloß zu unterschreiben«, sagte er. »Aber lesen Sie nur, wenn Sie wollen.«
    »Sie können doch nicht mit Sicherheit sagen, daß Melony Sie anzeigen wird«, sagte Mrs. Grogan zu ihm.
    »Spielt das wirklich eine Rolle?« fragte Larch. »Sehen Sie mich doch an. Habe ich noch so viel Zeit?« Sie schauten weg. »Ich möchte es nicht Melony überlassen. Oder dem Alter«, fügte er hinzu. »Oder dem Äther«, gestand er ein, was Schwester Edna veranlaßte, ihr Gesicht mit den Händen zu bedecken. »Ich ziehe es vor, das Risiko mit Homer Wells einzugehen.«
    Schwester Angela und Schwester Caroline unterschrieben die Briefe. Etliche Proben des Briefwechsels zwischen Wilbur Larch und Fuzzy Stone wurden ebenfalls dem Treuhänderausschuß unterbreitet; Schwester Angela sollte sie ihrem Brief beilegen. Der Ausschuß sollte begreifen, daß alle Krankenschwestern und Mrs. Grogan die Angelegenheit miteinander besprochen hatten. Wilbur Larch sollte keinen Äther brauchen, um einzuschlafen – nicht heute nacht.
    Mrs. Grogan, die für gewöhnlich schlief wie ein Stein, sollte die ganze Nacht wach liegen; sie betete. Schwester Edna machte einen langen Spaziergang durch den Apfelgarten auf dem Hügel. Auch wenn sie alle zusammen halfen bei der Ernte, war es schwer, mit den Äpfeln zu Rande zu kommen, die Homer hergebracht hatte. Schwester Caroline, die (wie alle übereinstimmend feststellten) die geistig Regsamste war, bekam die Aufgabe übertragen, sich mit den Details aus Leben und Werdegang des fanatischen Missionars Dr. Stone vertraut zu machen; sollte der Ausschuß Fragen stellen – was zu erwarten war –, dann mußte jemand die richtigen Antworten parat haben. Trotz ihrer Jugend und Energie war Schwester Caroline gezwungen, Fuzzys Geschichte mit ins Bett zu nehmen, wo der Schlaf sie überkam, bevor sie zu der Stelle über die Diarrhöe bei Kindern gelangte.
    Schwester Angela hatte Dienst. Sie gab der Frau, die auf eine Abtreibung wartete, noch ein Sedativ; sie gab einer Frau, die ein Baby erwartete, ein Glas Wasser; sie steckte einen der kleineren Jungen zurück in sein Bett – vermutlich hatte er schlecht geträumt; er lag auf seinen Decken, und seine Füße waren auf dem Kopfkissen. Dr. Larch war so erschöpft gewesen, daß er zu Bett gegangen war, ohne einen einzigen Jungen zu küssen, darum beschloß Schwester Angela, das für ihn zu übernehmen – und vielleicht für sich selbst. Als sie den letzten Jungen geküßt hatte, schmerzte ihr Rücken, und sie setzte sich auf eines der unbenutzten Betten. Sie lauschte auf den Atem der Jungen; sie versuchte sich an Homer Wells zu erinnern, als er noch ein kleiner Junge war, an das besondere Geräusch seines Atems; sie versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wie er im Schlaf dagelegen hatte. Es beruhigte sie, an ihn zu denken. Angesichts des Alters, angesichts des Äthers, angesichts Melonys wäre auch sie das Risiko mit Homer Wells eingegangen.
    »Bitte, komm nach Hause, Homer«, flüsterte Schwester Angela. »Bitte, komm nach Hause.«
    Es war eines der wenigen Male, daß Schwester Angela im Dienst eingeschlafen war, und das erste Mal überhaupt, daß sie im Schlafsaal der Jungen eingeschlafen war. Die Jungen staunten, als sie sie am Morgen bei sich fanden; sie erwachte davon, daß die Jungen auf ihr herumkletterten, und sie mußte sich beeilen, den jüngeren zu beteuern, daß es kein Vorzeichen großer Veränderungen in ihrem Leben bedeutete, wenn sie sie in der Knabenabteilung schlafend angetroffen hätten. Sie hoffte, daß sie die Wahrheit sagte. Ein besonders kleiner und abergläubischer Junge glaubte ihr nicht; er glaubte an sogenannte Waldwesen, die zu beschreiben er sich weigerte, und er ließ sich nicht davon abbringen, daß einer dieser Dämonen Schwester Angela über Nacht in eine Waise verwandelt habe.
    »Wenn du einschläfst, wächst Baumrinde über deine Augen«, erklärte er ihr.
    »Himmel, nein!« sagte sie.
    »Doch!« sagte er. »Und dann wollen nur die Bäume dich adoptieren.«
    »Unsinn«, sagte Schwester Angela zu ihm. »Die Bäume sind einfach Bäume. Und

Weitere Kostenlose Bücher