Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
Schwierigkeiten haben würden, im Möbelgeschäft ihr Glück zu finden. Manchmal gestand er sich ein, daß er sehr glücklich geworden war im Apfelgeschäft. Er wußte, was Larch ihm gesagt haben würde: daß sein Glück nicht der springende Punkt sei – beziehungsweise nicht so wichtig, wie daß er sich nützlich machte.
    Homer schloß die Augen und sah die Frauen aus dem Zug steigen. Sie wirkten immer ein wenig verloren. Er erinnerte sich an sie, in dem gasbeleuchteten Schlitten – ihre Gesichter waren besonders deutlich für ihn, wenn die Schlittenkufen sich in den Schnee gruben und Funken schlugen am Boden; wie waren die Frauen zusammengezuckt bei diesem knirschenden Geräusch. Und während der kurzen Zeit, als die Stadt freundlich genug gewesen war, eine Buslinie bereitzustellen, wie einsam hatten die Frauen da ausgesehen in dem abgeschlossenen Bus, ihre Gesichter verschwommen hinter dem beschlagenen Glas; durch die Fenster waren sie Homer Wells so vorgekommen, wie die Welt ihnen vorkommen mochte, kurz bevor der Äther sie davontrug.
    Und jetzt kamen sie zu Fuß vom Bahnhof. Homer sah sie den Hügel hinaufmarschieren; in seiner Erinnerung waren es nicht so viele gewesen. Sie waren wie eine Armee, die auf die Spitalpforte des Waisenhauses vorrückte, und alle mit ein und derselben Wunde.
    Schwester Caroline war zäh; aber wohin würden Schwester Edna und Schwester Angela gehen, und was würde aus Mrs. Grogan werden? fragte sich Homer Wells besorgt. Er erinnerte sich an den Haß und die Verachtung in Melonys Augen. Wenn Melony schwanger wäre, ich würde ihr helfen, dachte er. Und mit diesem Gedanken wurde ihm klar, daß er bereit war, Gott zu spielen – ein wenig jedenfalls.
    Wilbur Larch hätte ihm sagen können, daß es so etwas nicht geben kann: ein wenig Gott spielen; wenn man bereit war – überhaupt –, Gott zu spielen, dann spielte man sehr viel.
    Homer dachte scharf nach, als er in seine Tasche griff und den niedergebrannten Kerzenstummel fand, den Mr. Rose ihm zurückgegeben hatte – »Das ist gegen die Regeln, nicht wahr?« hatte Mr. Rose ihn gefragt.
    Auf seinem Nachttisch, zwischen der Leselampe und dem Telephon, war sein zerlesenes Exemplar von David Copperfield. Homer brauchte das Buch nicht aufzuschlagen, um zu wissen, wie die Geschichte anfing: »›Ob ich mich in diesem Buche zum Helden meiner eigenen Leidensgeschichte entwickeln werde oder ob jemand anderes diese Stelle ausfüllen soll, wird sich zeigen‹«, rezitierte er aus dem Gedächtnis.
    Sein Gedächtnis war außerordentlich scharf. Er konnte sich an die unterschiedlichen Größen der Äthermasken erinnern, die selbst zu machen Larch sich nicht hatte nehmen lassen. Die Vorrichtung war primitiv: Larch formte einen Trichter aus einem gewöhnlichen Drellhandtuch; zwischen den Tuchschichten waren Schichten von steifem Papier, damit der Trichter nicht zusammenfiel. An der offenen Spitze des Trichters war ein Wattebausch – um den Äther aufzusaugen. Primitiv, aber Larch konnte einen in drei Minuten herstellen; sie hatten unterschiedliche Größen für unterschiedliche Gesichter.
    Homer hatte die fabrikfertige Yankauermaske vorgezogen – eine Maschendrahtmaske, geformt wie eine Seifenschale, umwickelt mit zehn oder zwölf Schichten Mull. In die alte Yankauermaske auf seinem Nachttisch legte Homer nun die Reste der Ciderhauskerze. In der Maske bewahrte er Kleingeld auf, und manchmal legte er seine Uhr hinein. Jetzt schaute er hinein; die Maske enthielt einen Kaugummi in verblichenem, grünem Einwickelpapier und den Schildpattknopf von seinem Tweedjackett. Der Mull in der Maske war gelb und staubig, aber mehr als frischen Mull brauchte sie nicht. Homer Wells faßte einen Beschluß; er würde ein Held sein.
    Er ging hinunter in die Küche, wo Angel Wally im Rollstuhl umherschob – es war ein Spiel, das sie spielten, wenn sie beide unruhig waren. Angel stand auf dem Rückteil des Rollstuhls und schob ihn so, wie man einen Roller anschiebt; er brachte den Rollstuhl immer schneller in Fahrt – viel schneller, als Wally ihn selbst bewegen konnte. Wally lenkte nur – er kurvte und kurvte dauernd im Kreis herum. Wally versuchte dauernd, nicht an die Möbel zu stoßen, aber trotz seiner Geschicklichkeit beim Steuern und der großen Fläche des Küchenfußbodens brachte Angel schließlich den Rollstuhl so in Fahrt, daß er sich nicht mehr steuern ließ, und sie krachten in irgend etwas hinein. Candy war dann wütend auf sie, aber sie machten es

Weitere Kostenlose Bücher