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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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hohle Hand; er konnte sich unschwer vorstellen, wohin er sonst noch paßte. Zu seiner Überraschung begann Mrs. Santa Claus, als er den Napf an seine Hand anlegte, die Fußpumpe zu treten. Als er das Blut gegen seine Poren brausen fühlte, riß er sich schnell den Napf von der Handfläche, bevor das Ding mehr anrichten konnte als eine Blutblase an seinem Handballen.
    »Na?« fragte Mrs. Santa Claus aggressiv. »Wie lautet Ihr Rat, Doktor?« Wie zur Antwort zog die Patientin unter dem Laken Larch zu sich; auf der Stirn der Frau stand kalter Schweiß.
    »Sie wissen nicht, was Sie tun«, sagte Dr. Larch zu Mrs. Santa Claus.
    »Wenigstens tue ich etwas«, erwiderte die alte Frau mit feindseliger Ruhe. »Wenn Sie schon wissen, wie man es macht, warum tun Sie es nicht? Wenn Sie es wissen, warum bringen Sie es mir nicht bei?«
    Die Frau unter dem Laken wirkte benommen, aber sie versuchte sich zusammenzureißen. Sie setzte sich auf, um sich in Augenschein zu nehmen; als sie feststellte, daß sie unter dem Laken immer noch ihr eigenes Kleid trug, schien sie beruhigt.
    »Bitte, hören Sie mir zu«, sagte Dr. Larch zu ihr. »Falls Sie Fieber haben – falls Sie mehr als nur eine kleine Blutung haben –, müssen Sie in die Klinik kommen. Warten Sie nicht.«
    »Ich dachte, der Ratschlag wäre für mich«, sagte Mrs. Santa Claus. »Wo bleibt mein Ratschlag?«
    Larch versuchte, sie zu ignorieren. Er ging ins Wartezimmer hinaus und sagte der Mutter mit ihrer jungen Tochter, sie sollten gehen, aber die Mutter machte sich Sorgen wegen des Geldes.
    »Zahlen Sie es ihr zurück«, befahl Mrs. Santa Claus dem Mann mit der Kasse.
    »Die Anzahlung kriegen sie nicht wieder«, sagte der Mann abermals.
    »Geben Sie ihnen die Anzahlung zurück!« beharrte die alte Frau ärgerlich. Sie kam ins Wartezimmer, um die widerwillige Transaktion zu überwachen. Sie legte Dr. Larch die Hand auf den Arm. »Fragen Sie sie, wer der Vater ist«, sagte Mrs. Santa Claus.
    »Das geht mich nichts an«, sagte Larch.
    »Sie haben recht«, sagte die alte Frau. »Insoweit haben Sie recht. Aber fragen Sie sie trotzdem – es ist eine interessante Geschichte.«
    Larch versuchte, sie weiterhin zu ignorieren; Mrs. Santa Claus grabschte hastig nach Mutter und Tochter und wandte sich an die Mutter: »Erzählen Sie ihm, wer der Vater ist«, sagte sie. Die Tochter begann zu schniefen und zu wimmern; Mrs. Santa Claus ignorierte sie; sie sah nur die Mutter an. »Erzählen Sie’s ihm«, wiederholte sie.
    »Mein Mann«, murmelte die Frau und fügte dann, als sei es nicht klar, hinzu, »ihr Vater.«
    »Ihr Vater ist der Vater«, sagte Mrs. Santa Claus zu Dr. Larch. »Kapiert?«
    »Ja, ich habe es kapiert, vielen Dank«, sagte Dr. Larch. Er mußte seinen Arm um die Dreizehnjährige legen, die zusammensackte; sie hatte die Augen geschlossen.
    »Vielleicht einem Drittel der Mädchen geht es wie ihr«, erklärte Mrs. Santa Claus Larch gehässig; sie behandelte ihn, als sei er der Vater. »Etwa ein Drittel von ihnen haben es von ihren Vätern oder ihren Brüdern. Vergewaltigung«, sagte Mrs. Santa Claus. »Inzest. Sie verstehen?«
    »Ja, vielen Dank«, sagte Larch und zog das Mädchen mit sich hinaus – die Mutter zupfte er am Mantelärmel, damit sie folge.
    »Scheißen Sie, oder runter vom Pott!« gellte Mrs. Santa Claus ihnen nach.
    »Ihr verhungerten Ärzte, alle!« brüllte der Mann mit der Kasse. »Ihr seid am Ende.«
    Der Chor sang. Larch meinte etwas zu hören wie »Von keinem Sturme erschrecket«.
    In dem leeren Raum, der die Lieder von den Abtreibungen trennte, trafen Larch und die Mutter mit ihrer Tochter auf die Frau, die unter dem Laken gelegen hatte. Sie war immer noch benommen, ihre Augen flatterten, und das durchgeschwitzte Kleid klebte ihr am Rücken.
    »Bitte, vergessen Sie nicht«, sagte Larch zu ihr, »falls Sie Fieber bekommen oder die Blutung nicht nachläßt …« Dann sah er den Damenschlüpfer, über der Schulter am Kleid festgesteckt. Die sinnreiche Epaulette war das Abzeichen von »Off Harrison«, eine Art Ordensschleife für Tapferkeit. Offenbar wußte die Frau nicht, daß ihr Höschen dort hing. Larch stellte sich das South End vor, buchstäblich übersät von wankenden Frauen, ihre Höschen an der Schulter festgesteckt, die sie so untilgbar brandmarkten wie das neuenglandpuritanische »A« an ihrem Busen.
    »Warten Sie!« schrie Larch und grabschte nach dem Schlüpfer. Die Frau wollte nicht warten; als sie sich aus seinem Griff losriß, ging die

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